Der Ramadan hat begonnen – und wer mit dieser Tradition nicht aufgewachsen ist, stellt sich dazu viele Fragen. Zum Beispiel: Ist es unhöflich, ins Pausenbrot zu beißen, wenn der Kollege neben mir fastet? Wissen Muslime nicht, dass Wasser gesund ist? Gehen Muslime im Ramadan ins Stadion?
Von Rashed Alalej
Achtung, Sie begegnen einem muslimischen Menschen! Wir Muslime wollen im Ramadan besondere Beachtung finden!
Nein, Scherz beiseite. Wenn Sie wissen wollen, ob ein muslimischer Mensch, dem sie begegnen, fastet oder nicht: fragen Sie ihn! Wenn Sie wissen wollen, ob ein Mensch aus den arabischen Ländern überhaupt muslimisch und religiös ist: fragen Sie ihn! Wenn sie wissen wollen, wieso ein Mensch tut, was er tut und denkt, was er denkt: fragen sie ihn!
Die drei Fragen, die ich als Muslim aus Syrien hier in Deutschland am häufigsten höre, lauten: Warum fastest du? Verzichtest Du komplett aufs Essen, aufs Rauchen und sogar auf Wasser? Machst Du das wirklich den ganzen Monat lang?
Bedauern Sie uns Muslime nicht!
Ich persönlich faste, um Geduld zu üben und mich auf gute Taten zu konzentrieren. Dazu gehört, dass wir ärmere Menschen unterstützen und uns einander verbunden fühlen. Natürlich begleiten uns diese Gedanken das ganze Jahr über, aber im Ramadan steht das Mitgefühl in besonderer Weise im Mittelpunkt.
Bedauern Sie uns Muslime nicht, weil wir fasten! Wir erleben den Ramadan als eine feierliche Zeit. Jedenfalls kann ich das über die Menschen sagen, die ich persönlich kenne. Und ja, wir fastenden Muslim*innen verzichten komplett aufs Essen, Trinken und Rauchen – vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Das sind in diesem Jahr etwa 18 Stunden am Tag. Da der Ramadan sich am Mondkalender orientiert, beginnt er in unserem alltäglichen Kalender jedes Jahr in einem anderen Monat.
Wenn Sie sich die Frage stellen, wie nun mit uns Fastenden in dieser Zeit umzugehen ist, kann ich Ihnen sagen: ganz entspannt!
Sie brauchen uns kein Essen oder Wasser anzubieten – aber wenn Sie es tun, ist das nicht schlimm. Nehmen Sie es uns aber bitte nicht übel, wenn wir das freundliche Angebot ablehnen. Wir wollen uns damit nicht wichtig machen. Wir wollen Sie auch nicht auffordern, selbst zu fasten. Schön ist es jedoch, wenn wir uns fürs Fasten nicht rechtfertigen müssen.
Ist es unhöflich, ins Pausenbrot zu beißen, wenn der Kollege neben mir fastet? Natürlich kann ich nicht für alle Ihre Kolleg*innen sprechen. Ich für mich kann sagen: Wenn ich faste, fastet auch mein Appetit. Von einer Person, die nicht in dieser Tradition aufgewachsen ist, würde ich nie erwarten, dass sie ihr Pausenbrot liegen lässt, weil ich faste. Etwas anders empfinde ich es bei Menschen aus muslimischen Ländern: Wenn sie kommentarlos ihr Brot essen, während ich neben ihnen faste, empfinde ich das als unhöflich. In Deutschland ist es am Karfreitag (vor Ostern) ja sogar verboten zu tanzen. Das finde ich eine respektvolle Haltung gegenüber den Gläubigen im Land.
Jedem Menschen sollte es freistehen, dieses Fest zu feiern oder nicht.
Wenn ich mir ein Bein gebrochen habe, fangen nicht alle an zu humpeln – aber sie fragen mich auch nicht, ob ich mit ihnen Fußball spiele. Wobei der Ramadan für uns Muslime kein Beinbruch ist – eher ein Fest. Und jedem Menschen sollte es freistehen, dieses Fest zu feiern oder nicht.
Zur Information: Männer fasten den ganzen Monat, es sei denn, sie sind auf Reisen oder krank. Frauen sollen während ihrer Periode nicht fasten, und wenn sie krank oder auf Reisen sind. Wir wissen, dass Wasser gesund ist – und trinken davon reichlich in der Nacht. Ins Stadion gehe ich auch im Ramadan. Tatsächlich habe ich ein Ticket für das Spiel Deutschland gegen Saudi-Arabien Anfang Juni in Leverkusen.
In Deutschland sind die Nächte im Sommer übrigens kürzer als in Syrien, die Tage sind länger. Das ist für die Fastenden besonders anstrengend. Wir gehen ganz normal zur Arbeit und zum Unterricht. Aber wenn möglich, vermeiden wir Termine um 8 oder 9 Uhr, damit wir den Morgen verschlafen können, nachdem wir in der Nacht wach waren.
Wenn Sie uns Fastenden eine Freude machen wollen, wünschen Sie uns „Ramadan Mubarak“, das heißt: Frohen Ramadan! Das wünsche ich allen Menschen, die mit mir fasten. So wie ich christlichen Menschen Frohe Pfingsten und beizeiten Frohe Ostern und Frohe Weihnachten wünsche. Und allen Menschen auf dieser Welt, egal welchen Glaubens, wünsche ich ein Frohes Leben – in Frieden und Gesundheit.
Aus der Reihe „Hinsichtlich des Ramadans präsentiert das nid-Team einen bunten Blumenstrauß an unterschiedlichen Überzeugungen und Verhaltensweisen“ im Mai/Juni 2018.
2 Kommentare
Kommentieren →Hey Rashed Alalej,
Ihr Artikel ist gut und erfrischend geschrieben! Ich bin Deutscher und unterrichte Schüler in der Vorbereitungsklasse. Während des Ramadan fällt es mir schwer, mit einigen Schülern umzugehen, die fasten. Sie können sich nicht konzentrieren, haben Bauchschmerzen, möchten aber z.T. aus Angst oder aus Stolz keine Hilfe annehmen. Ich kann verstehen, dass es für die Schüler schwierig ist, da sie gespalten sind zwischen den Zielen des Unterrichts (aufpassen, mitmachen) und den Zielen des Fastens (eigene Restriktion, Stolz der Familie, dass man es bis abends geschafft hat).
Haben Sie einen Tipp, wie man mit Schülern während des Ramadan umgehen kann?
Sehr geehrter Herr Max,
ich freue mich sehr, dass Sie meinen Artikel gelesen haben. Sie haben Recht, es ist so schwer, wenn man die Schule und das Fasten beides schaffen möchte. Vielleicht haben sich Ihre Schüler noch nicht an das Ramadan-Klima gewöhnt, besonders dass wir in Deutschland mehr Stunden fasten als in unserer Heimat. Aber im Prinzip dürfen wir im Ramadan die Arbeit oder den Unterricht nicht verpassen. Auch in Syrien wird gearbeitet und die Kinder gehen zur Schule. Wir fasten, damit wir Geduld üben, nicht damit wir den ganzen Tag schlafen oder das Alltagsleben abbrechen. Sie können den Schülern empfehlen, dass die Arbeit oder die Schule sich mit dem Ramadan ergänzen sollen. Vielleicht sind sie achtloser…
Ich hoffe, dass Ihre Schüler diesen Gedanken einhalten.
Liebe Grüße
Rashed Alalej