Neu in Deutschland (nid) & Neu in Gera (nig)
Inspiriert von der Bochumer nid-Zeitung erscheint im Frühjahr 2019 die erste Ausgabe der deutschsprachigen Geflüchteten-Zeitung „Neu in Gera“. Nour Al Zoubi erzählt, wie das neue Projekt entstanden ist, und was es ihr bedeutet.
Von Nour Al Zoubi
Angefangen hat alles damit, dass ich im Sommer 2018 in Gera (Thüringen) bei der Otegau GmbH zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden bin. Zu diesem Gespräch brachte ich eine Ausgabe unserer Zeitung „Neu in Deutschland“ mit, für die ich in Bochum seit 2017 regelmäßig geschrieben habe.
Im Vorstellungsgespräch spielte die nid-Zeitung kaum eine Rolle (worüber ich ein bisschen enttäuscht war, weil ich so stolz auf unsere Arbeit war!) – aber dann kam der Zufall ins Spiel: Die damalige Geschäftsführerin der Otegau, Roswitha Schmeller, war abends länger im Büro. Sie wollte Feierabend machen und hatte den Computer ausgeschaltet, als sie sich überlegte, doch noch schnell ein schreiben am Computer zu erstellen.
Sie erzählte mir später: „In der Zeit, während der Computer wieder hochfuhr, nahm ich die nid-Zeitung, die auf meinem Schreibtisch lag, blätterte darin und fing an zu lesen. Einmal musste ich laut lachen, bei einem anderen Text liefen mir Tränen über die Wangen…“ Sie habe gar nicht mehr aufhören können zu lesen, so berührt sei sie von den Geschichten in der Zeitung gewesen. Bis zur letzten Seite habe sie alles durchgelesen und am nächsten Tag habe sie die Zeitung zu einem Gesprächstermin mit dem Geschäftsführer des Jobcenters, Enrico Vogel, mitgenommen und über ihre Begeisterung gesprochen. Das Jobcenter Gera ist einer von mehreren Kooperationspartnern der Otegau.
Danach ging alles ziemlich schnell. Herr Vogel und Frau Schmeller bestellten alle seit Februar 2016 erschienenen Ausgaben, lasen jede Seite und waren danach fest entschlossen, die Zeitungsidee nach Gera zu holen. Ich hatte in der Zwischenzeit meine Stelle als Integrationsbegleiterin in Gera angetreten. Einmal sind wir sogar zusammen nach Bochum gefahren, um mit Dorte Huneke-Nollmann, die in Bochum die nid-Zeitung aufgebaut hat, über die Projektidee „Neu in Gera“ zu sprechen und Erfahrungen auszutauschen.
Im Mai hatten wir in Gera unser erstes Redaktionstreffen und ich war sehr stolz, in dieser Runde von meinen Erfahrungen mit dem Bochumer nid-Team berichten zu dürfen! Vor allem freue ich mich, dass nun auch die geflüchteten Menschen in Gera eine Chance haben, ihre Stimme in die Öffentlichkeit zu tragen.
Mein Mann Ahmad und ich haben in Gera zum Glück nur gute Erfahrungen gemacht. Wir haben sehr nette Nachbarn, Arbeitskollegen und wir haben deutsche Freunde! Aber ich höre auch, dass über Flüchtlinge sehr negativ gesprochen wird. Es gibt Vorurteile und manche Menschen haben Angst vor uns. Das macht mich traurig. Hoffentlich können wir mit unserer neuen Zeitung das Verhältnis zwischen Deutschen und Geflüchteten in Thüringen verbessern.
Als ich im letzten Herbst nach Gera umgezogen bin, hatte ich einen Stapel Zeitungen in meinem Koffer und wollte den Menschen in Gera zeigen, was wir in Bochum Großartiges machen, um die Menschen zusammenzubringen. Nun ist alles viel größer und fantastischer geworden, weil wir in Gera unser eigenes Team und unsere eigene Zeitung aufbauen. Ich habe in Bochum viele Erfahrungen gesammelt, die ich nun einbringen kann und bin wirklich sehr glücklich darüber, dass ich auch in meiner neuen Heimat Gera eine Stimme habe, um von uns, den Flüchtlingen, zu erzählen.
Dieser Text erschien 2019 in der 15. Ausgabe der nid-Zeitung.
Vielleicht haben andere Menschen in anderen Städten ebenfalls die Idee eine Zeitung über Flucht, Liebe und das Leben zu machen? Das nid-Team steht gerne zum Erfahrungsaustausch parat.