Nr. 18 ist erschienen | Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Als wir den Titel zur vorliegenden Ausgabe ausgewählt haben, hatten wir damit etwas anderes im Sinn, als die aktuellen Debatten vermuten lassen; denn es war eine Zeit vor Hanau. Eine Zeit vor Corona.

Vor der Corona-Krise war es uns ein Anliegen zu sagen: Liebe Leserinnen und Leser deutscher Herkunft, bitte reichen Sie unsere Zeitung nicht sofort an geflüchtete Menschen und an Flüchtlingscafés
weiter, sondern lesen Sie bitte selbst darin!

Immer wieder erhalten wir Post von Menschen, die sich darüber freuen, unsere Zeitung gefunden zu haben – um diese an syrische Nachbarn weiterzureichen. Aber die Themen Flucht und Integration gehören in die Mitte der Gesellschaft. Sie gehen uns alle an.

Natürlich freuen wir uns, wenn unsere Zeitung in Deutschkursen eingesetzt wird, zum Deutschlernen; es tut bestimmt gut, eigene Lebenserfahrungen in dem einen oder anderen Text wiederzufinden. Ein wesentliches Ziel unserer Zeitung liegt jedoch im Austausch von Erfahrungen, im Perspektivwechsel, in der Begegnung mit anderen Lebenswelten. So könnten Sie eine Ausgabe der nid-Zeitung beispielsweise auch an Personen weitergeben, die mit Sorge und Ressentiments darauf blicken, dass Menschen neu nach Deutschland kommen und Teil unserer Gesellschaft werden.

Zu diesen Neuen gehört auch Khaled Al Rifai (26), der im letzten Jahr seine Ausbildung als Krankenpfleger abschlossen hat und nicht erst seit der Corona-Krise Wichtiges zum Gesundheitssystem unserer Gesellschaft beiträgt. „Ich bin froh, dass ich im Krankenhaus arbeite
und helfen kann“, schreibt er. Andere aus dem nid-Team haben gleich zu Beginn der Corona-Krise gesagt: Wir sind jung, gesund, wir haben Zeit: Wie können wir helfen? Über verschiedene Netzwerke haben Mitglieder
des nid-Teams für ältere und kränkere Menschen zum Beispiel Einkäufe erledigt.

Deutschland erlebt wieder eine große Welle der Solidarität. Kurz vor der Corona-Krise, im Februar, nach den rassistischen Gewalttaten von Hanau schien eher eine Spaltung der Gesellschaft zu drohen. In den Medien war die Rede davon, dass Rassismus und sogar Hass mitten in unserer Gesellschaft wohnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte die Menschen in unserem Land: „Rassismus ist ein Gift, Hass ist ein Gift.“

Während der Corona-Krise wurden diese Debatten ausgesetzt. Vielleicht, weil die Solidarität der Menschen am Ende wichtiger und richtiger ist als Anfeindungen. Der Bochumer Dichter Issam Alnajm, der in Syrien ausgewachsen ist und in Deutschland derzeit eine Ausbildung zum Altenpfleger macht, ermutigt dazu, aus der Krise auch Hoffnung zu schöpfen: „Meine große Hoffnung ist, dass wir als Menschen von dieser
Pandemie auch etwas lernen, dass wir von unseren Erfahrungen etwas mit in die Zukunft nehmen. Dass wir solidarischer miteinander sein werden, stärker zusammenhalten und füreinander da sind. Denn darauf kommt es doch an. Oder?“

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine angenehme Lektüre unserer Zeitung, deren Inhalte in den vergangenen Monaten entstanden sind, also unter sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen.

Herzlich
Dorte Huneke-Nollmann & das nid-Team

Online durch die Zeitung (nid #18) blättern: http://weborama.de/neu_in_deutschland/18/

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