Vertrauen ist der Kern des Lebens

Zum Titelthema „Vertrauen“ haben vier Mitglieder des nid-Teams sich Gedanken gemacht. Die Fragen formulierte Amel Fellah – und beantwortet wurden sie von allen vier.

Was bedeutet für Euch Vertrauen?

Rawend: Ich vertraue jemandem, wenn ich weiß, dass diese Person mich mag und mir nichts Böses will.

Steve: Vertrauen heißt für mich, dass Menschen sich aufeinander einlassen. Das hat mit Liebe und Zusammenhalt zu tun.

Amel: Dass ich mit geschlossenen Augen auf jemanden setzen kann.

Laila: Vertrauen ist der Kern des Lebens! In jeder menschlichen Beziehung hat Vertrauen eine ganz starke Bedeutung.

Wann fangt ihr an, einem anderen Menschen zu vertrauen?

Laila: Ich sehe ja, wie ein Mensch sich mir gegenüber verhält. Mein Vertrauen mache ich von den Taten und dem Verhalten des anderen abhängig. Man muss sich das Vertrauen des anderen verdienen.

Rawend: Ich vertraue meiner Familie. Die Familie lässt dich nie im Stich, egal was passiert. Meine Familie steht immer hinter mir.

Amel: Im Alltag wird das erkennbar: wenn ich sehen kann, wie ein Mensch sich verhält. Das Vertrauen wächst, wenn man gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen ist. Das heißt, es kann auch schwierige Situationen geben. Wenn man sie gemeinsam bewältigt, und verbunden bleibt, dann
wächst das Vertrauen.

Steve: Ich vertraue Menschen, bei denen ich spüre, dass sie Liebe in sich tragen. Auf sie kann ich mich verlassen. Bei Lehrern würde ich sagen: Wenn sie Respekt zeigen, dann fange ich an, ihnen zu vertrauen. Manche Lehrer sind irgendwie sehr weit weg von uns. Diesen Lehrern kann ich weniger vertrauen.

Rawend: Es gibt die Lehrer, die nicht nur für ihr Gehalt arbeiten, das spürt man! In Deutschland habe ich an meiner Schule meinen Lehrern vertraut, sie haben mich immer unterstützt. Dank ihnen und einigen anderen Menschen habe ich mein Abitur geschafft. Mit den anderen Schüler*innen in meiner Klasse fand ich es schwieriger, Vertrauen aufzubauen.

Woran denkt ihr, wenn ihr das Wort „Vertrauen“ hört?

Laila: Ich denke an meine Mutter.

Steve: An meine Familie. Lina. Freunde. Das ist meine Grundlage für alles Vertrauen. Wenn ich diesen Menschen nicht vertrauen könnte, dann könnte ich, glaube ich, auch anderen nicht vertrauen. An meiner Schule haben wir seit drei Jahren eine gute Gemeinschaft, wir vertrauen uns! Das habe
ich aber auch schon anders erlebt.

Amel: An meine Mutter und an meinen Bruder. Über sie habe ich gelernt zu vertrauen.

Habt ihr das Gefühl, dass andere Euch vertrauen?

Amel: Meine Familie vertraut mir, dadurch bekomme ich meine Kraft.

Rawend: Ja. Ich glaube, dass viele mir vertrauen. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Laila: Ja, vor allem bei der Arbeit.

Steve: Ich denke, ja.

Denkt Ihr, dass es in unserer Gesellschaft viel Vertrauen gibt? Oder eher Misstrauen?

Amel: Ich weiß nicht. Bei mir selbst wächst das Vertrauen zu anderen eher langsam.

Rawend: Ich finde, dass viele Menschen vor allem auf sich selbst gucken.

Steve: Ich denke, Deutschland ist ein sichereres Land, in dem man den meisten Menschen vertrauen kann.

Rawend: Eigentlich denke ich, dass der Zusammenhalt in meiner Heimat stärker ist als hier. Aber ja, das Beispiel mit der Sicherheit stimmt auch: Mir wurde einmal mein Portemonnaie geklaut und dann zurückgebracht. Leider ohne Geld, aber immerhin.

Habt Ihr Vertrauen in die Zukunft?

Amel: Ich habe das Gefühl, dass viele eher an sich selbst denken. Ich habe Sorge, vor allem wenn ich an die Politik denke. Die Politik denkt immer an ihren eigenen Profit, da fehlt die Solidarität. Das ist nicht herzerfreulich. In meiner Heimat ist das nicht anders.

Rawend: Ich habe wenig Vertrauen in die Zukunft. Die Welt geht zugrunde! Deshalb war ich bei der Fridays-for-Future-Demo. Und in meiner Heimat, in Kurdistan, sterben die Menschen gerade. Ich weiß nicht, ob alle Menschen in Deutschland das sehen und gegen dieses Leid etwas machen
möchten. In meinen Augen müsste die ganze Welt aus Protest dagegen auf die Straße gehen! Ich versuche immer, Ruhe zu bewahren, aber ich verstehe nicht, dass wir das Morden nicht verhindern können. Und dass Menschen in Deutschland Schutz finden, die anderen Gewalt angetan haben. Wenn ich das sehe, verliere ich mein Vertrauen.

Dieser Text erschien 2019 in der 16. Ausgabe der Zeitung „nid – neu in deutschland“. Sonderausgabe Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene.

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