Wir haben die Nacht zum Tag gemacht

… aus meinem Leben in Corona-Zeiten

Von Hanan Khatib

Anfang März bekamen wir aus dem Libanon die Nachricht, dass mein Schwager sehr schwer erkrank war. Mein Mann sollte in unsere Heimat fliegen, um seinen Bruder dort zu sehen. Damals war die Corona-Krise noch nicht so schlimm. Wir haben gedacht, dass er nach ein paar Tagen einfach wieder zurückfliegen könnte. Aber nach und nach stoppte überall auf der Welt das Leben. Auch die Flughäfen im Libanon wurden geschlossen – erst einmal für eine Woche. Aus einer Woche wurden zwei Monate. Mein Mann musste so lange im Libanon bleiben. Ich war also mit den Kindern allein zu Hause. Die Schulen waren zu, wir konnten nicht rausgehen auf Spielplätze oder um Sport zu machen. Das war am Anfang nicht ganz einfach, aber langsam haben wir uns daran gewöhnt.

Geblieben ist nur meine Angst, während ich mit den Kindern allein war: Was mache ich, wenn etwas passiert? Wenn einer von uns krank wird?

Aber alles ist gut gegangen! Zu Hause haben wir viele Dinge erledigt, für die es zu normalen Zeiten oft keine Zeit gibt, weil wir arbeiten oder unterwegs sind.

Dann kam der Ramadan, die Fastenzeit. In diesem Jahr war die Fastenzeit ganz anders als sonst. Mein Mann war nicht da, wir verbrachten die Tage zu Hause, die Schulen waren ja weiterhin geschlossen, und ich konnte nicht zur Arbeit gehen. Deshalb habe ich mit den Kindern die Nacht zum Tag gemacht, wir blieben lange auf und schliefen morgens lange. Nach dem Fastenbrechen gegen 21 Uhr blieben wir manchmal wach, bis wir ab 3 Uhr nichts mehr essen durften.

So haben wir aus der Corona-Zeit auch etwas Gutes gemacht: Wir haben eine schöne Zeit miteinander verbracht, wir haben zusammen gefastet und das Essen vorbereitet, gemeinsam gegessen, gespielt und waren immer wieder über Telefon und Internet mit meinem Mann in Kontakt.

Sein Bruder wurde glücklicherweise wieder gesund! Und irgendwann gab es einen Flug einer libanesischen Airline nach Frankfurt: sie wollten die eigenen Mitarbeitenden in die Heimat holen. Glücklicherweise haben sie meinen Mann auch mitgenommen, und endlich konnten wir uns wieder umarmen.

Hanan Khatib lebt seit 2000 in Deutschland. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.

Dieser Text entstand 2020 im Rahmen des „Café Courage“ in Bottrop – in Kooperation mit nid.

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