„Es ist nicht an uns, über andere zu richten“
Im August trafen Lamia Hassow und Issam Alnajm die evangelische Pfarrerin Diana Klöpper zu einem Gespräch über Kirche, Frauen, Religion und Toleranz.
Seit wann können Frauen in der Evangelischen Kirche in Deutschland Pfarrerin sein?
Seit 1974 können Frauen ohne jeden Unterschied zu Männern als Pfarrerinnen arbeiten. Die ersten Frauen waren offiziell schon in den 1950er-Jahren als Pastorinnen tätig. In der Zeit davor durften sie Seelsorge leisten, aber nur als Helferinnen der männlichen Pfarrer.
In dieser Entwicklung spielt der Zweite Weltkrieg eine Rolle: Viele Pfarrer gingen im Krieg an die Front. In dieser Zeit haben die Frauen, die als Theologinnen ausgebildet waren, in den Gemeinden den Dienst in den Kirchen getan. Sie haben Gottesdienste gehalten, Religionsunterricht gegeben, Seelsorge geleistet, beerdigt, getraut, getauft. Nach dem Krieg wollte man das zurücknehmen. Aber die Gemeinden haben gesagt: Warum das denn? Wir wollen unsere Pastorin behalten!
Was sagt Ihre Kirche über die Familie?
Vor sechs Jahren hat es in der Evangelischen Kirche eine große Diskussion darum gegeben: Was macht für uns Familie aus? Wir sagen: Eine Familie ist nicht durch eine bestimmte Form gegeben, also durch Heirat. Familie ist auch und vor allem dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, generationenübergreifend.
Die katholische Kirche hat den Papst. Wer leitet die Evangelische Kirche?
Eine oberste Autorität gibt es bei uns nicht. Die Evangelische Kirche nennt sich auch die „Kirche der Freiheit“. Weil es genau darum geht: in Freiheit miteinander zu diskutieren. Das einzige Kriterium, das wir haben, ist: Es muss dem Leben dienen, es muss den Menschen dienen.
Die Mutter von Jesus, Maria, hat ein Kopftuch getragen. Warum ist das Kopftuch in Deutschland trotzdem so ein schwieriges Thema?
Viele Deutsche verbinden das Kopftuch heute mit Ordensfrauen, also Frauen, die ein besonderes Versprechen an Gott gegeben haben und in der Regel ehelos bleiben. Viele halten das Kopftuch für ein Symbol der Unterdrückung. Ich kenne aber auch Frauen, die sagen, das Kopftuch gebe ihnen Sicherheit. Ich will das nicht bewerten. Es gibt übrigens auch viele Christinnen, die ihren Glauben anders ausdrücken als ich. Darin liegt doch eine zentrale Frage: Wie können wir ertragen, dass andere (ihren Glauben) anders leben, als wir selbst? Es ist nicht an uns, über andere Menschen zu richten. Das heißt nicht, dass wir uns aus allem heraushalten können. Aber wir müssen immer fragen: Dient es dem Leben?
Hat die Kirche Einfluss auf die Politik?
Im Bundestag und in den Landtagen sitzen Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche. Sie bringen die kirchliche Stimme in bestimmte Debatten ein. Mein Eindruck ist aber, dass der politische Einfluss zurückgeht.
Wird die Stimme der Kirche in der Flüchtlingsdebatte gehört?
Was ist denn die Stimme der Kirche in der Flüchtlingsdebatte? Ich glaube nicht, dass wir hier mit einer Stimme sprechen. Eine wichtige Frage ist: Wie können wir christlich angemessen mit geflüchteten Menschen umgehen? Und wie gehen wir mit Menschen um, die Angst vor geflüchteten Menschen haben? Darüber müssen wir diskutieren.
Dieser Ausschnitt aus einem längeren Gespräch erschien 2018 in der 12. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“. Diana Klöpper ist Pfarrerin in Bochum.