Kopf & Tuch: Hast Du überhaupt Haare?

Weil sie kein Kopftuch trug, musste Fatema Qasim vor zwanzig Jahren als junge Frau in Aleppo ihr Studium abbrechen. Die Frauen, die heute aus Syrien nach Deutschland kommen, werden immer wieder gefragt, ob sie ihr Kopftuch nicht lieber absetzen wollen. Das sei besser für den Beruf und für die Integration. Was genau ist jetzt Freiheit?

Als ich zum Studieren nach Aleppo ging, war ich ein stylishes Mädchen. Ich trug enge Kleidung und hatte lange Haare. In Aleppo sind die Menschen jedoch sehr konservativ. Einmal zogen zwei Männer auf der Straße an meinen Haaren und sagten schlechte Dinge über mich. Meistens wurde ich komisch angeguckt. Diese Situation habe ich nicht ertragen – und brach mein Studium ab. Zurück in meiner Heimatstadt Kamischli, im Norden Syriens, fing ich in einer Bank an.
Fatema Qasim

Wenn ich in die Straßenbahn einsteige, höre ich sehr oft böse Kommentare von fremden Leuten über mein Kopftuch. Mich macht das sehr traurig. Eine Freundin von mir, die schon länger hier lebt, hat mir geraten, nichts zu erwidern und ruhig zu bleiben.
Boushra El Dalaf

Zweiunddreißig Jahre lang habe ich in einer Welt gelebt, wo es selbstverständlich ist, ein Kopftuch zu tragen. Ich liebe meine Heimat, ich vermisse mein Leben dort. Das Kopftuch gehört zu den wenigen Dingen aus meiner Heimat, die mir geblieben sind. Geben Sie uns doch Zeit! Vielleicht lege ich mein Kopftuch eines Tages ab, vielleicht nicht. Wie kann ich das in so kurzer Zeit entscheiden, nachdem ich mein ganzes Leben lang etwas anderes gelebt habe?
Nahed Al Essa

Trägst Du das Kopftuch auch beim Duschen?

In meiner Heimatstadt Daraa tragen die meisten Frauen ein Kopftuch, aber es ist keine Pflicht. Meine Tante zum Beispiel trägt kein Kopftuch. Ich finde das Kopftuch gut, ich trage es gerne. Für mich ist es ein festes Kleidungsstück wie Jacke und Pullover. Seit wir in Deutschland sind, kenne ich einige, die ihr Kopftuch abgesetzt haben. Aber ich habe das Kopftuch nicht für die Menschen in Syrien getragen – und ich werde es nicht für die Menschen in Deutschland absetzen. Es gehört zu mir.
Nour Alzoubie

Als meine beiden Schwestern und ich zwischen 10 und 14 Jahre alt waren, kaufte mein Vater drei Kopftücher, brachte sie uns und sagte: Wir sind Muslime, als junge Frauen sollt Ihr ein Kopftuch tragen, das ist unsere Religion. Meine Schwestern haben das abgelehnt. Ich habe es angenommen.
Hayat Kurd

Die Deutschen fragen mich: Hast Du überhaupt Haare? Trägst Du das Kopftuch auch beim Duschen? Warum gehst Du zum Friseur, Du trägst doch ein Kopftuch?
Nour Alzoubie

Ich glaube, die Deutschen finden mich unmodern, weil ich ein Kopftuch trage.

Ich bin ein Mensch ohne Kopftuch. Ich weiß, dass die Frauen nach dem Islam ein Kopftuch tragen sollen. Aber ich fühle mich unwohl damit. Es gehört nicht zu mir. In Deutschland hätte ich Angst, keinen Job zu finden, wenn ich ein Kopftuch trage. Viele haben mir gesagt, das sei sehr schwierig.
Lamia Hassow

In der Straßenbahn standen einmal zwei etwa 15 Jahre alte Mädchen neben mir. Offenbar dachten sie, dass ich kein Deutsch verstehe, denn sie unterhielten sich direkt neben mir über mich und mein Kopftuch. Eine sagte: „Meine Großmutter hat auch so etwas getragen.“ Ich glaube, die Deutschen finden mich unmodern, weil ich ein Kopftuch trage.
Nour Alzoubie

Entscheide selbst, ob du ein Kopftuch tragen willst.

In der Region, aus der ich komme, sind die Menschen sehr arm. Die Frauen trugen bei der Arbeit ein Kopftuch: im Sommer gegen die Sonne, im Winter gegen die Kälte. Meine Familie hatte einen Bauernhof. Die Arbeit dort hat mich zu der Entscheidung gebracht, ein Kopftuch zu tragen. Heute trägt die Hälfte meiner Familie ein Kopftuch, die andere nicht.
Hayat Kurd

Als ich meinen Mann kennenlernte, sagte er: Entscheide selbst, ob du ein Kopftuch tragen willst. Seine Familie war sehr konservativ. Sie wollte, dass ich ein Kopftuch trage. Aber mein Mann sagte: Ich habe dieses Mädchen kennengelernt, sie ist ein gutes Mädchen, egal was sie trägt.
Fatema Qasim

Dieser Text erschien 2017 in der nid-Sonderausgabe Frauen. >>PDF nid #8 Sonderausgabe Frauen

 

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