[NiD-Frauenzeitung] Die Niederländerin Inez Boogaarts übernahm im Herbst 2016 die Leitung der Zukunftsakademie NRW (ZAK) an der Humboldtstraße in Bochum. Mit NiD-Mitarbeiterin Lamia Hassow sprach sie über Ankommen und Bürokratie, Frauen und Erfolg – in Deutschland und anderswo.
NiD: Frau Boogaarts, Sie leben seit fünf Monaten in Bochum. War es schwierig für Sie, hier anzukommen?
Inez Boogaarts: Es war tatsächlich nicht so einfach, wie ich dachte! Ich habe einen europäischen Pass, ich konnte beim Amt einen Arbeitsvertrag vorweisen. Trotzdem war der Papierkram sehr kompliziert. Und es war schwierig, eine Wohnung zu finden! Umso leichter ist der persönliche Umgang. Die Menschen in Bochum sind sehr offen, man kommt schnell ins Gespräch.
Können Sie uns sagen, wer die europäische Frau ist?
NiD: Als Syrerinnen werden wir oft gefragt, wer die orientalische Frau ist, was ihr wichtig ist. Können Sie uns sagen, wer die europäische Frau ist?
Boogaarts: Ich weiß nicht, ob es so eine europäische Identität gibt! Europa besteht ja aus so vielen kleinen Ländern, die alle unterschiedlich sind. Für mich persönlich würde ich sagen: Mir als europäischer Frau ist es wichtig, unabhängig zu sein. Dass ich für mich selbst sorgen kann. Das hat meine Mutter mir beigebracht.
NiD: Was macht die europäische Frau nicht so gut?
Boogaarts: Den Europäern insgesamt fällt es vielleicht nicht so leicht, das Leben zu genießen. Alles dreht sich um die Arbeit.
Wie haben Sie das geschafft?
NiD: Haben Frauen und Männer in Europa gleiche Chancen?
Boogaarts: Offiziell schon. Die Regeln sind die gleichen. Aber es gibt noch viel zu tun! Nehmen wir zum Beispiel die kulturelle Bildung: In diesem Bereich arbeiten sehr, sehr viele Frauen. Kürzlich bekam ich jedoch eine Einladung zu einem Symposium zur kulturellen Bildung – und auf dem Podium saß dann keine einzige Frau. Es geht um eine neue Machtverteilung in diesen Dingen…
NiD: Sie sind eine erfolgreiche Frau, Sie haben als Geschäftsführerin der ZAK einen hohen Posten. Wie haben Sie das geschafft?
Boogaarts: Ich habe dafür hart gearbeitet. In meiner Familie hat niemand studiert. Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Für mich war klar, dass ich etwas anderes kennenlernen wollte. Ich wollte da raus, in die Welt. Mein großes Glück war, dass ich immer schon neugierig war.
NiD: Was empfehlen Sie einer geflüchteten Frau: was können wir tun, um in Deutschland eine Rolle zu spielen?
Boogaarts: Es ist nicht leicht, das weiß ich sehr wohl! Die Sprache ist natürlich ein wichtiger Schlüssel. Die muss man durch dauernde Wiederholung lernen. Aber dann begegnet man auch Hindernissen, die vielleicht überhaupt keine sind. Wenn Leute zu mir gesagt haben, „Das geht nicht!“, dann habe ich oft gesagt „Doch!“ – Und wenn es auf dem einen Weg nicht geht, dann gibt es vielleicht einen anderen. Man braucht Geduld, und Glück.
NiD: Gibt es in der ZAK Angebote für Geflüchtete?
Boogaarts: Unsere Aufgabe besteht eher darin, die kulturellen Institutionen und Behörden in NRW untereinander zu vernetzten und zu beraten. Wir selbst bieten kaum Veranstaltungen an.
NiD: Sie beraten also zum Beispiel ein Theater, das sich kulturell stärker öffnen möchte?
Boogaarts: Ja. Wobei der Wandel in unserer Gesellschaft ja sehr breit ist. Die Geflüchteten stellen nur einen Teil dar. Die Theater und Behörden müssen an vielen Stellen anders denken. Das geht aber nur, wenn sie bereit dazu sind.
NiD: Ist die Stadt Bochum bereit dazu, anders zu denken – die Flüchtlinge als neue StadtbewohnerInnen anzusehen?
Boogaarts: Ich bin ja noch nicht so lange hier, aber ich spüre eine große Offenheit. Bochum ist keine reiche Stadt, aber sogar die Verwaltung zeigt Interesse daran, die Vielfalt der Gesellschaft zu berücksichtigen.
NiD: Vielen Dank für das Gespräch!
Bochum, im Januar 2017
Mehr Informationen: zaknrw.de
Die Zukunftsakademie NRW definiert sich unter der Leitung von Inez Boogaarts als Plattform für Diversität, Kulturelle Bildung und Zukunft von Stadtgesellschaft.
Das Interview entstand im Januar 2017, als die NiD-Frauen-Redaktion an den Start ging. Weil die NiD-Redaktion zunächst überwiegend aus Männern bestand, beschloss die Herausgeberin Ende 2016, eine NiD-Sonderausgabe zu produzieren, die komplett von Frauen erstellt wird. In der Zukunft möchten die Frauen und Männer der NiD-Redaktion aber lieber in einer gemeinsamen Zeitung schreiben. Das wurde mehrheitlich entschieden. Immerhin ist das Zahlenverhältnis zwischen den Geschlechtern mittlerweile ungefähr ausgeglichen.