Meine arabische Sprache

Meine arabische Sprache

Dima Halabi braucht die deutsche Sprache, um an einer deutschen Universität ein Masterstudium Pharmazie zu absolvieren. Aber was wird derweil aus der Sprache, den Gewohnheiten und Erinnerungen, die sie aus ihrer Heimat mitgebracht hat?

Von Dima Halabi
Foto: Michael Stuka

Neulich wollte ich eine förmliche Email an eine syrische Behörde schreiben. Ich musste länger darüber nachdenken, welche Worte ich benutzen wollte, wie ich diese Nachricht formulieren könnte. Was mein Lehrer mir schon in der Grundschule beigebrachte hatte, die einfachsten grammatischen Regeln – alles war plötzlich verschwunden.

Während ich dort saß, sagte ich zu mir: Okay, Du dachtest, die deutsche Sprache sei kompliziert und auf einmal ist Dir die arabische Sprache ein Rätsel!

Ich unternahm mehrere Versuche, den Brief fortzusetzen, hörte dabei arabische Musik, um meinen Wortschatz zurückzuholen. Mit den Worten kamen viele Erinnerungen zurück: an meine Schule, an die Tafel, auf die mein Lehrer schrieb, meinen Sitzplatz aus Holz, Gesichter von Kindern aus meiner Schulklasse. Als ich mich daran erinnerte, dass ich im Arabischunterricht immer die beste Note bekam, musste ich lächeln.

Eine Sprache zu verlieren, ist ein großer Verlust. Die eigene Sprache ist eine Heimat, ein Stück Identität. Sie ist ein Instrument, mit dem man zu Gehör bringen kann, was einen im Inneren bewegt. Deshalb sage ich: es ist traurig zu sehen, dass viele Kinder, die in diesem Land aufwachsen, ihre Muttersprache vergessen, die arabische Sprache, der sie einmal angehörten.

Die Sprache lebt durch ihre Worte, die sich zu immer neuen Beschreibungen zusammenfügen lassen.

Mit diesen Gedanken im Kopf beschloss ich, von nun an jeden Tag in einem arabischen Buch zu lesen und mehrere Begriffe aufzuschreiben.

Meine Mitbewohnerin Gitta sagt, es sei respektvoll und bemerkenswert, dass ich die deutsche Sprache lerne. Aber was soll ich denken, wenn ich feststelle, dass ich meine Muttersprache verlerne? Wo ist der Respekt gegenüber meiner Sprache und der Persönlichkeit, die ich durch diese Sprache gebildet habe?

Die eigene Persönlichkeit erweitert sich, wenn man eine neue Sprache hinzulernt, davon bin ich überzeugt. Aber ich wünsche mir, dass ich meine arabische Persönlichkeit bewahren kann, während ich mich mit der deutschen Sprache weiterentwickle. Vielleicht werde ich, wenn ich die deutsche Sprache richtig gut gelernt haben werde, noch eine weitere Sprache lernen. Aber meine Muttersprache, das Arabische, wird immer das Fundament sein, auf dem ich aufbauen kann.

Dima Halabi bei einer nid-Lesung im Rottstr5-Theater im September 2018. Foto: Michael Stuka

Dieser Text erschien 2018 in der 12. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“.

Kontakt Dima Halabi: dima-h93@hotmail.com

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