Schwarzer Tag
Den 3. August 2018 erlebte Thamer Khale als schwarzen Tag. Er erinnert sich an grausame Ereignisse in seiner Heimat, die auf den Tag genau vier Jahre zurückliegen. Dass darüber gesprochen wird, darin liegt sein großer Wunsch.
Von Thamer Khale
Am 3. August vor vier Jahren wussten viele Jesiden in meiner Heimat, der Region Shingal im Irak: Hier können wir nicht bleiben. Wir mussten fliehen. Wer Glück hatte, erreichte die Berge. Doch selbst dort war niemand sicher vor Tod und Vergewaltigung, Durst und Hunger. Ich kenne Menschen, die wegen fehlender medizinischer Versorgung in den Bergen gestorben sind. Ich kenne eine Frau, die in den Bergen bei der Geburt ihres Kindes starb. Ihr Mann tötete sich anschließend selbst, weil er nicht ertragen konnte, was er gesehen hatte.
Wir Jesiden können davon berichten, dass Tausende Männer getötet und Frauen verschleppt und vergewaltigt wurden. Kinder wurden zu Soldaten gemacht. Bis heute warten wir Jesiden auf Lebenszeichen von vielen vermissten Frauen und Kindern.
Wir werden ermordet, weil wir Jesiden sind. Wie kann das sein? Wie konnte das schon so oft in der Vergangenheit sein? Die jesidischen Familien erzählen ihren Kindern von über 70 Vorfällen dieser Art. Ich habe das nie glauben können, wenn meine Oma davon erzählte. Dann habe ich es selbst erlebt.
Die Menschen, die zu uns kamen, töteten kaltblütig und massenhaft. Sie behaupteten, sie täten dies im Namen Gottes. Ich habe das Gefühl, dass die Welt uns an diesem Tag aufgegeben hat. Das Gewissen der Menschen ist gestorben. Liegt darin eine Antwort Gottes? Meine Heimat ist bis heute ein Friedhof. Bis heute werden jesidische Frauen verkauft, Kinder für den Kampf trainiert. In meiner Erinnerung sind Jahre voller Schmerz, Unterdrückung und Ängste. Ich wünsche mir so sehr, dass unsere Erzählungen gehört werden. Ich wünsche mir eine Zukunft, in der wir Hoffnung haben und in Frieden leben können.
Dieser Text erschien 2018 in der 12. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“.
2 Kommentare
Kommentieren →Lieber Thamer,
danke für Deine Geschichte, die wirklich schrecklich ist.
Leider lesen die Menschen, die Deine Geschichte lesen sollten,
Deine Geschichte nicht.
Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, dass eines Tages alle menschenverachtende
Handlungen aufhören.
Alleine das Lesen Deiner Geschichte fällt schwer, ist aber so notwendig und wichtig, wie für Dich das Erzählen und Mitteilen!!!
Hilflos und entsetzt erkenne ich dieses Elend an, ohne zu wissen, wie ich ich Dir \ Euch helfen kann!
Ich wünsche Dir und Euch Kraft!!!
Und NEIN, das ist NICHT Werk Gottes, was diese Verbrecher tun!!!