Weil ich zur Familie gehöre

Ob es in Syrien Altenheime gibt, werde ich manchmal gefragt, schreibt Khaled Al Rifai.
Ich frage dann immer zurück: Warum sollen alte Menschen alleine leben, ohne ihre Familie?

Natürlich gibt es Menschen, die keine Familie haben. Aber sie sind die Ausnahme, in Syrien wie in Deutschland. In Deutschland können selbst die jungen Menschen es kaum erwarten, von zu Hause auszuziehen. Sie streben nach einer Karriere, sie machen ein Studium oder gehen arbeiten. Viele ziehen mit ihrem Freund oder ihrer Freundin zusammen.

Die Eltern nehmen das so hin und gestalten sich ihren eigenen Alltag. Viele ältere Menschen, deren Kinder ausgezogen sind, machen viele schöne Dinge: sie wandern, besuchen das Theater, fahren in den Urlaub, helfen anderen, solange die Gesundheit mitmacht. Ich staune über die vielen älteren Menschen, die so aktiv sind und viel erleben!

Khaled Al Rifai (l.) mit Rashed Alalej vor dem nid-Plakat für Demokratie im Sommer 2017.

Als ich nach Deutschland kam, war ich begeistert davon, wie frei und selbständig die Menschen hier leben. Für mich war das eine neue und großartige Erfahrung. Ich konnte meine eigenen Entscheidungen treffen, hatte schnell eine eigene Wohnung, konnte mich aufs Lernen konzentrieren, besuchte tolle Veranstaltungen und lernte viele Menschen kennen. Frei und unabhängig fühlte ich mich.

In Deutschland lernen die Kinder schon im Kindergarten, viele Stunden ohne ihre Eltern zu sein. Wahrscheinlich sind sie später auch in ihrem Leben erfolgreicher darin, selbständig zu leben und Karriere zu machen. Ganz sicher ist dies auch der Grund für die starke, auch wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes.

Aber mit der Zeit werde ich traurig in diesem deutschen Leben, weil ich den starken Zusammenhalt der Familien um mich herum vermisse. Meine eigene Familie ist weit weg. Aber es ist nicht nur das. Das deutsche Leben um mich herum ist weniger familiär.

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