Fünf Jahre kämpfte Amir Ahmed in Syrien darum, als Journalist arbeiten zu können. Als er gerade am Ziel war, brach der Krieg aus.
Um in Syrien als Journalist arbeiten zu können, braucht man in der Regel entweder sehr gute Kontakte zu vielen hohen politischen Verantwortlichen, oder man bezahlt ein Bestechungsgeld. Die Seltenen finden andere Wege zum Erfolg. Man muss sehr viel Glück haben.
Bei mir kamen neben dem Glück vor allem Geduld und ein fester Wille dazu. In Syrien gab es damals drei staatliche Zeitungen und eine Agentur, die in meiner Stadt Al Hasaka mit jeweils einem Redaktionsbüro und vier festen Mitarbeitern vertreten waren. Sobald ich hörte, dass dort irgendwo eine Stelle frei wurde, bewarb ich mich. Aber diese Versuche blieben alle ohne Antwort.
Trotzdem begann ich, aus meiner Stadt zu berichten. Meine Texte schickte ich an die Redaktion einer Zeitung, unterschrieben mit „Der Al-Hasaka-Journalist“. Kurz darauf erhielt ich einen Anruf vom Redaktionsleiter: Warum schicken Sie uns diese Texte? Wieso unterschreiben Sie mit diesem Namen? Ich sagte: „Ich bin bereit, für Euch zu schreiben.“ Wir trafen uns in Damaskus zu einem Gespräch – und wenig später war ich bei dieser Zeitung der Korrespondent für meine Stadt.
Auf wundersame Weise kam ich um diese Bestechung herum.
Nach etwa einer Woche fragte mich der Redaktionsleiter, ob ich ihm Geld „leihen“ wolle. Ich wusste, was das hieß. Ich sollte mich, wie so viele andere, in meinen Job einkaufen. Zum Glück wurde der Redaktionsleiter entlassen, bevor ich ihm eine Antwort geben musste. Auf wundersame Weise kam ich um diese Bestechung herum. Ein noch viel größeres Wunder war es für mich, dass ich weiter bei dieser Zeitung arbeiten konnte.
Dann wurden die politischen Spannungen stärker. Als Journalisten wurden wir zu Zielscheiben, wir erhielten viele Hasskommentare. Von den Pressekonferenzen der Regierungspartei wurden wir ausgeschlossen. Unsere Arbeit wurde immer mühsamer, aber ich habe nie mit dem Gedanken gespielt aufzugeben. Nach einiger Zeit gelang es mir, ein kleines Loch in diese dichten Mauern zu bohren, das bald darauf zu einer kleinen Revolution wurde: Ich startete eine Initiative und veröffentlichte Texte auf einer eigenen Internetseite, dadurch öffneten sich mir und anderen Kollegen weitere Türen. Es gelang uns sogar, mit einer staatlichen Förderung einige gedruckte Zeitungen herauszubringen.
Dann fing der Krieg an.
Dieser Erfolg verschaffte mir später einen Job bei einer größeren Zeitung, wo ich Berichte fürs Radio und fürs Fernsehen produzierte. Endlich war ich dort gelandet, wo ich immer sein wollte. Fünf Jahre hatte ich dafür gebraucht.
Dann fing der Krieg an. Als Journalist musste ich entscheiden, ob ich für das Regime oder für die Opposition war. In Al-Hasaka setzte das Regime seine Macht durch und ich floh mit meiner Familie in die Türkei. Um meine Familie zu ernähren, arbeitete ich dort als Elektroniker. Da ich diese Arbeit jedoch nie gelernt habe, verletzte ich mich häufig und meine Finger schmerzen bis heute. Auch für meine Frau, die in Syrien als Lehrerin gearbeitet hat und für meine Kinder waren diese Erfahrungen, über die ich hier schreibe, oft schmerzhaft. Meine Frau sagte in diesen Jahren in Syrien immer wieder zu mir: „Bleib stark, lass Dich nicht kränken. Verkaufe Deine Werte nicht. Deine Kraft ist der Stift.“ Mit diesem Stift möchte ich an dieser Stelle meiner Frau und meinen Kindern den höchsten Respekt und Dank aussprechen.
Übersetzung: Khaled Al Rifai