Amir – ein junger Rapper aus dem Iran
Von Janine S.
Als Deutschlehrerin begegnet Janine S., deren Vater aus dem Iran stammt, sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, häufig mit beeindruckenden Lebenswegen. Für die nid-Zeitung berichtet sie über den jungen Rapper Amir aus dem Iran, der seine Heimat verlassen musste, weil sein Lebensstil zu westlich war, und der beinahe auch aus Deutschland abgeschoben worden wäre.
2017 kam Amir aus dem Iran nach Deutschland. Eher zufällig landete der damals 18-Jährige im Ruhrgebiet. Im Iran war er immer wieder an die äußerst strengen Regeln und Vorschriften angeeckt. Kurz bevor er sein Land verlassen musste, war er zum Christentum konvertiert.
Beflügelt von dieser Entscheidung hatte er seiner Freundin von dieser anderen abrahamitischen Religion erzählt. Damit hatte sich die Lage für den damals noch minderjährigen Iraner jedoch dramatisch zugespitzt und er nahm den Weg vom Iran bis nach Europa auf sich, um ein Leben nicht nur in Frieden, sondern auch in erster Linie in Sicherheit führen zu können. Die Freundin und sein altes Leben ließ er hinter sich ebenso wie seine religiöse Sozialisation.
Angekommen in Deutschland, musste er sich zunächst neu orientieren. Als sozialer und zuvorkommender Mensch fehlte ihm besonders sein soziales Umfeld. Nicht wissend, welchen Weg er gehen sollte, wandte sich Amir an eine Ärztin und berichtete in dem Gespräch von seiner Leidenschaft für die Musik. Die Ärztin empfahl Amir Kontakt zu dem Musikprojekt X-Vision in Bochum Wattenscheid aufzunehmen. Hier hatte er die Möglichkeit, seiner Leidenschaft nachzugehen und seine Zeit mit anderen Musikern und kreativen Köpfen zu verbringen.
Seitdem verbringt er täglich mindestens zwei Stunden bei X-Vision. In den Ferien ist er auch schonmal den ganzen Tag im Studio. Er liebt es, dort der kreativen Arbeit nachgehen zu können und fühlt sich auf seinem Weg zum Ziel von den anderen X-Vision-Mitgliedern unterstützt. Die Mitglieder von X-Vision beschreibt Amir als zielstrebig, stark und als eine wunderbare Gemeinschaft. Die Arbeit, die der talentierte Rapper dort leistet, seine Auftritte auf der Bühne und der Kontakt zu den anderen Mitgliedern stärken sein Selbstvertrauen und bieten ihm eine Art Ersatzfamilie im fremden Land.
Amir schreibt nicht nur selbst Raptexte, sondern nimmt diese auch selbstständig auf, unterlegt sie mit Beats und produziert am Ende ein Musikvideo. Ein wahres Wunderkind!
In seinen Texten setzt sich der junge Künstler mit der politischen Situation im Iran kritisch auseinander und weist auf die dortigen Missstände hin. Die Wut ist trotz des Raps in Farsi herauszuhören.
Doch hat Amir auch eine sanfte, sehr liebevolle und zurückhaltende Weise. Je nach Stimmungslage bringt er seine Gefühle und Gedanken dann mit einer kraftvollen und zugleich beruhigenden Gesangsstimme zum Ausdruck.
Er ist froh, dass ihm die Ärztin von X-Vision erzählt hat und dass er dort nicht nur unterstützt von Profi s sein Talent ausleben kann, sondern auch eine Gruppe von Menschen gefunden hat, auf die er sich verlassen kann. Das zeigte sich besonders in dem Augenblick, als er einen Brief erhielt und schlucken musste, als er las, was dort geschrieben stand:
„Sie müssen innerhalb von 30 Tagen die BRD eigenständig verlassen.“ Was zunächst nicht dramatisch klingt, würde für ihn mit einem längeren Gefängnisaufenthalt im Iran enden, wenn nicht sogar Schlimmeres. Doch hinter ihm und zu ihm steht das Team von X-Vision und da sie wissen, was für Amir auf dem Spiel steht, setzen sie sich alle dafür ein, dass Amir hier in Deutschland ein Leben in Frieden und Sicherheit führen kann, so wie er es und wie jeder es verdient hat.
Dieser Text erschien 2020 in der nid-Sonderausgabe „Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene“ mit dem Schwerpunktthema „Vertrauen“.