Der Klimawandel betrifft jeden von uns

Von Yassmin Murad, 18 Jahre

Bei einer Protestkundgebung der internationalen Bewegung „Fridays for Future“ hat die aus Syrien stammende 17-jährige Schülerin Yassmin Murad eine Rede gehalten. In der nid-Zeitung erscheint ein Auszug davon.

Ich komme aus einem Land, das vom Krieg zerstört worden ist. In meiner Heimat zerstört der Krieg jeden Tag hunderte Menschenleben und es ist kaum mehr möglich, ein richtiges Leben dort zu führen. Warum ich das erzähle? Weil die Klimakatastrophe, die uns bevorsteht, ganz ähnliche Auswirkungen für uns haben wird. Millionen Menschen werden gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen. Krankheiten werden sich vermehren. Tierarten werden massenweise aussterben, wie zuletzt vor Millionen Jahren. Und die Menschen werden neue Kriege um die geringer werdenden Ressourcen führen.

Der Klimawandel ist keine Meinungssache, er ist kein Konflikt, der sich durch Gespräche lösen lässt. Der Klimawandel betrifft jeden von uns, ganz egal, woher wir kommen, wer wir sind und woran wir glauben.

Er ist real und wird sich immer stärker und stärker zeigen. Unsere Erde ist in einer Krise und nur durch uns kann diese Krise bekämpft werden. Es hilft nicht, die Schuld auf andere Länder zu schieben. Es hilft nicht, nur das Nötigste zu tun und dann auf die anderen zu gucken.

Ich bin keine Klimaexpertin, ich bin keine Politikerin und ich weiß, wie wichtig es ist, dass jeder Mensch sich seine eigene Meinung bilden kann. Aber die herrschende Politik wird mich zu einer Klimaexpertin machen: Weil ich zu den Menschen gehören werde, welche die Folgen der politischen Vernachlässigung zu spüren bekommen wird. Die Folgen einer Politik, die unsere Zukunft bestimmt, aber uns nicht einbezieht.

Wir fordern ein konkretes Handeln der Politik: Leere Versprechungen helfen uns nicht. Ziele, die nicht umgesetzt werden, helfen uns nicht. Applaudierende, die dann aber nicht handeln, helfen uns nicht. Wir brauchen Taten, damit wir uns eine gesunde Zukunft vorstellen können. Seit zehn Monaten bin ich bei diesen Demonstrationen mit dabei. Aber in der Politik hat sich nicht viel verändert. Deshalb werde ich oft gefragt, ob unser Protest überhaupt etwas bewirken kann. Ich sage dann: Ich weiß nicht, was unser Protest bewirken kann, aber wir haben gar keine andere Wahl als weiterzumachen. Wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten, werden unsere Nachfahren nie die Erde kennenlernen, auf der wir heute leben. Wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten, ist die ganze Menschheit und ihre Zivilisation gescheitert. Deshalb hören wir nicht auf, für unsere Erde und für eine bessere Welt zu kämpfen, bis sich etwas ändert.

Die „Fridays for Future“-Bewegung gehört in meinen Augen zum Wichtigsten, was uns Menschen alle beschäftigen sollte. Vor allem, da wir in einem Land leben, das uns Zugang zu diesen wichtigen Informationen gibt. Wir haben alle die Möglichkeit, in unserem Alltag viel zu verändern. Ich möchte gerne so viel wie möglich für den Klimaschutz beitragen und mache mich dafür stark, dass dieses Thema ernst genommen wird.

Mit meinen Eltern, in der Schule und mit Freunden, auch in den sozialen Netzwerken, sprechen wir viel über die Klimakrise. Ich nehme auch oft an den „Fridays for Future“-Demos teil. (Nur wenn eine wichtige Klausur bevorsteht und ich dafür lernen muss, bleibe ich zu Hause.) Meinen Konsum von Kleidung, Fleisch etc. habe ich deutlich verringert und trage ständig einen Stoffbeutel in der Tasche, um Plastiktüten zu vermeiden. Ich halte die Mülltrennung ein und überzeuge meine Eltern davon, Bioprodukte zu kaufen. Natürlich würde ich gerne noch viel mehr tun.

Viele sagen, dass die Lebenseinstellung einer einzelnen Person nicht viel verändert, aber ich sehe das anders. Wenn alle so viel tun wie ihnen möglich ist, wachsen die vielen kleinen Dingen zu einer großen Einheit zusammen. In dieser Einheit können wir für dasselbe Ziel kämpfen und werden es am Ende auch erreichen, davon bin ich überzeugt.

Der Text wurde 2019 verfasst und erschien 2020 in der 16. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“, Sonderausgabe „Vertrauen“ / Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene

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