Immer weiter lernen

Von Hiba Hasan

In Deutschland besitzt Hiba Hasan zum ersten Mal einen Kalender. Die Zeit hat in ihrem neuen Leben eine neue Bedeutung bekommen. Sie hat damit begonnen, Termine zu machen und sparsam mit der Zeit umzugehen. Aber andere Dinge haben in der neuen Heimat auf einmal mehr Zeit: Die Architektin stellt fest, dass sie gar nicht die Einzige ist, die als erwachsene Frau mit Berufsabschluss immer noch lernt und lernt und lernt.

Als ich nach Deutschland gekommen bin, hatte ich den Traum, in einem Land ohne Krieg zu leben. Natürlich gibt es in einem neuen Land viele neue Dinge. Das war für mich nicht so einfach, manches ist mir ganz schön schwer gefallen. Aber ich habe auch eine Menge gelernt. Zum Beispiel hat die Zeit für mich in Syrien keine besondere Rolle gespielt. Für viele Menschen in Deutschland ist die Zeit hingegen sehr wichtig! Die Zeit ist Geld, ist Respekt.

Nach und nach verändert sich die Welt für mich. Inzwischen besitze ich einen Kalender. Das gefällt mir sehr gut. Ich liebe den Moment, in dem ich diesen Kalender bekommen habe! In Deutschland gibt es keinen festen Zeitpunkt, zu dem man etwas lernt und wann man damit fertig sein soll. Es ist nicht wichtig, wie alt die Menschen sind. An den Universitäten gibt es viele Menschen, die bereits einen Beruf haben, aber noch etwas anderes, etwas Neues lernen wollen. Man kann sich einen Weg aussuchen, weiterlernen, machen, träumen. In Deutschland geht so viel.

In meiner Heimat ist das leider ganz anders. Meine Mutter, 67 Jahre alt, ist eine Oma mit 13 Enkelkindern. Sie lebt nun in Schweden, mit meiner Schwester und ihren Kindern. Als ich sie das letzte Mal besucht habe, war ich überrascht und sehr erfreut zu hören, dass sie Schwedisch spricht! Sie hat sich das selbst beigebracht. Trotzdem hat sie sich geschämt, als sie mir davon erzählte: weil sie mit ihren 67 Jahren immer noch lernt.

Ich hoffe, dass sie stärker darin wird und Freude daran hat, was sie Neues lernen kann. Wir alle lernen unser ganzes Leben lang außerdem, die Verschiedenheit der Menschen zu respektieren, ohne darauf zu schauen, welche Farben und Religionen mit den Menschen verbunden sind. Ich empfinde großes Glück dabei, die deutsche Sprache immer besser zu verstehen, auch wenn ich es wirklich nicht einfach finde, diese Sprache zu beherrschen. Aber ich bin glücklich in diesem Land, mein kleiner Sohn wird hier aufwachsen und ich möchte eines Tages als Architektin hier arbeiten können.

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