Steckt uns nicht in eine Wasserpfeife!

Von Dima Halabi

Als ich meinen Freunden in Syrien von dem Plan erzählte, dass ich nach Deutschland gehen wollte, um mein Studium zu beenden, äußerten einige von ihnen Befürchtungen. Über die westliche Zivilisation hatten sie in den Zeitungen gelesen und im Fernsehen gehört – manches Gute, aber auch viel Schlechtes. Wenn ich höre, was meine Freunde sagen, ärgere ich mich, dass sie alle Menschen im Westen „in eine Wasserpfeife stecken“, wie wir im Arabischen sagen.

Genauso tun es übrigens die Bayern und die Ostfriesen, die Menschen in Ost- und Westdeutschland: Sie werfen meine Landsleute, also die Menschen aus dem arabischen Raum, alle in einen Topf. Das ist also eine Gemeinsamkeit zwischen unseren Völkern: Schublade auf – Urteil rein – Schublade wieder zu. Aber ich glaube, es gibt noch andere Gemeinsamkeiten:

Kurz nach meiner Ankunft in Deutschland musste ich bei der Post eine Identitätsprüfung durchführen, um ein Konto einrichten zu können. Das war eine sehr umständliche Prozedur, da der Computer meine Eingaben zunächst nicht verstand. Eine Postmitarbeiterin wandte viel Zeit und Mühe auf, um mein Problem zu lösen, was gar nicht ihre Aufgabe war. Dafür bedankte ich mich sehr herzlich bei ihr und sagte ihr, wie glücklich ich war, so eine hilfsbereite Person getroffen zu haben. Sie antwortete: „Ach, wissen Sie, meine Tochter wird nächste Woche nach Kanada umziehen, um dort ihr Studium zu absolvieren. Ich wünsche mir für sie, dass sie dort ebenfalls eine Person treffen wird, die ihr hilft, wenn sie Hilfe benötigt. Deshalb brauchen Sie mir nicht zu danken.“

Von ihren Sätzen war ich sehr beeindruckt. Diese deutsche Frau zeigte nicht nur die gleiche Hilfsbereitschaft, die wir in der arabischen Kultur so schätzen (und die in den arabischen Vorstellungen über den Westen nur selten vorkommt); offenbar kannte sie auch das Karma-Prinzip, an das auch wir glauben…

Vielleicht verlieren wir in der heutigen Zeit ein Stück der Menschlichkeit und der Hilfsbereitschaft. Aber diese stellen weitere Gemeinsamkeiten unserer Kulturen dar – und sie sind der einzige Weg, der uns durch diese schwierigen Zeiten führen kann.

Dima Halabi kam 2017 nach Deutschland, um ihr Studium der Pharmazie fortzusetzen.

Foto: Wolfgang Wedel

Dieser Text erschien 2018 in der 10. Ausgabe der nid-Zeitung.

Schreibe einen Kommentar