Von Rashed Alalej
An meinem ersten Tag in Deutschland kaufte ich mir ein leeres Heft. Ich schrieb die deutschen Personalpronomen hinein und viele Hauptworte. Ich war begeistert von der Idee, dass ich sehr schnell Deutsch lernen würde. Von anderen hatte ich gehört, welche Sprachkurse es gab und welches Niveau man brauchte, um in Deutschland weiter studieren zu können. (Man braucht mindestens C1.)
In Syrien hatte ich ein Jura-Studium angefangen. Deshalb wollte ich unbedingt in einem Jahr bis zur B2-Prüfung kommen.
Meine erste Begeisterung zerbrach, als ich erfuhr, dass ich zuerst auf die Aufenthaltsgenehmigung warten musste, bevor ich mit einem Sprachkurs beginnen konnte. So verstrich das erste Jahr ohne ein einziges Zertifikat. Das Warten machte mich müde. Und die schweren Gedanken an den Krieg wurden für mich noch ein Stück schwerer.
Jetzt bin ich seit zwei Jahren in Deutschland. Mit etwas Glück habe ich bald B2. Dafür brauchte ich viel Geduld und Energie. Aber wie es dann für mich weitergehen kann, weiß ich immer noch nicht. Ein Jurastudium auf Deutsch, das schaffe ich nicht. Welcher Weg ist gut für mich?
Wenn ich mit meinen Freunden in Syrien telefoniere, fragen sie mich, warum ich die Sprache noch nicht gelernt habe. Warum das so lange dauert. Ihre Fragen machen mich unruhig und unzufrieden. Neulich habe ich sie gebeten, mich nicht mehr danach zu fragen. Im Deutschkurs verstehe ich alles, aber auf der Straße verstehe ich nur Bahnhof. Die Hochsprache ich für mich einfacher als die Umgangssprache. Aber ich gebe nicht auf! Eines Tages werde ich die deutsche Sprache so gut beherrschen wie die Deutschen. Oder besser!
Dieser Beitrag erschien 2018 in der 9. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“. >>PDF nid#9