Von Yassmin Murad
Ich habe mich oft gefragt, wie es dazu kommen kann, dass ein Mensch sich rassistisch verhält. Woran erkennt man das und warum genau geschieht dies überhaupt? Bis ich gemerkt habe, dass der Rassismus bereits in unserer Sprache tief verankert ist, in den Bildern, mit denen wir leben, durch alltägliche Vorurteile und Klischees.
Es gibt Worte und Begriffe, die den Rassismus indirekt sichtbar machen. Sie hinterlassen einen bitteren Eindruck. Oft werden sie jedoch nicht hinterfragt. Ganz im Gegenteil. Denn es scheint stillos zu sein, einen Witz vom berühmten schwarzen Humor nicht zu verstehen, während er doch nur der Unterhaltung diene.
Ein Kampf gegen indirekten Rassismus gilt als überbewertet. Überbewertet wie ein Glas Wasser nach einer Podiumsdiskussion, bei der zwar alle zusammen kommen, um sich gegenseitig zuzuhören. Doch innerlich bereiten sich
alle nur auf ihre eigene Ansprache vor.
Ohne die eigene Sichtweise zu reflektieren, ohne darauf zu achten, wie Dinge aussehen, wenn man sie mit anderen Augen betrachtet: das ist die egoistische Seite unseres Menschseins. Daraus können leicht rassistische Denkweisen entstehen, weil wir den anderen aus dem Blick verlieren. Weil wir verpassen, die Dinge von unterschiedlichen Seiten zu betrachten.
Ein stiller Blick ohne Worte kann eine rassistische Äußerung sein. Und vielleicht ist es uns allen schon passiert, dass wir mit unseren Augen andere Menschen so angeschaut haben. Wir können die Bilder, die wir in uns tragen, gar nicht so weit von uns weisen, wie viele es sich vielleicht wünschen. Wir können aber aufmerksam hierfür sein. Wieviel Raum nimmt der Rassismus in unserer Gesellschaft ein?
Rassismus grenzt aus. Rassismus sagt, Du gehörst zu einer anderen Gruppe.
„Hey, woher kommst du eigentlich?“
„Aus Dortmund.“
„Nein, nein. Ich meine, woher du ursprünglich kommst.“
„Oh, hm, ich bin Kurdin. In Syrien
geboren.“
„Kurdin? Das ist doch sowas wie
Türkin, oder?“
„Nein, eigentlich nicht. Im Grunde so
gar nicht. Also…“
„Naja, okay, ist ja nicht so wichtig. Sei
doch nicht so schnell beleidigt“
Ich fühle mich nicht beleidigt. Meistens will ich es nur klarstellen. Weil ich ja auch gefragt werde. Wenn aber meine Antwort blöd klingt, dann sollte man vielleicht gar nicht fragen. Rassismus erlebt man meistens auch nicht so direkt, mit Traditionen und Normen gerechtfertigt. Als wäre es okay, einen Menschen auszuschließen, der nicht mit demselben Normen- und Wertesystem aufgewachsen ist. „Warum soll ich das so machen?“ – „Weil es sich so gehört.“ – „Ach so.“
Man wird meistens auch nicht direkt ausgeschlossen. Wir leben im Jahr 2021. Es gehört sich nicht, rassistisch zu sein. Selbst jene Parteien, die zugewanderte Menschen in Deutschland ablehnen, weisen es weit von sich, rassistisch zu sein. Sie kritisieren Rassismus und damit die Reflexion ihrer selbst. Rassistisch ist man lieber hinter verschlossenen Türen und mit leisen Stimmen. Als wäre man dadurch weniger rassistisch. Nein, man ist dadurch nur weniger laut.
Dieser Text erschien 2021 in der 19. Ausgabe der Zeitung „nid – Neu in Deutschland“ mit dem Schwerpunktthema „Rassismus“.