Bundestagswahl 2017

Von Khaled Al Rifai

Wahlen – damit habe ich mich bis zu diesem Jahr noch nie wirklich auseinandergesetzt. In Syrien habe ich nie gewählt. Ich wurde von meinen Eltern und in meiner Schule dazu erzogen, das Regime und seine Parolen zu lieben. Von den Nachteilen einer Diktatur sprach niemand. In den Familien haben die meisten Angst, offen über das Regime zu sprechen. Sie wollen vermeiden, dass die Kinder in ihrem Umfeld weitergeben, was sie zu Hause gehört haben. Um sie vor den Konsequenzen zu schützen, die sie zu ertragen hätten. Menschen werden an manchen Orten für das, was sie sagen, verhaftet und gefoltert.

Als ich noch in Syrien lebte, war ich ein Kind, mein Verstand war nicht reif. Ich konnte nicht erkennen, dass um mich herum eine bestimmte Ideologie herrschte, der auch ich folgen sollte. Als ich mein Land verließ, hörte ich zum ersten Mal andere Meinungen. Diese Erfahrung hat mich stark geprägt und mein Verständnis von Politik vollständig verändert.

Zuvor bedeutete Politik für mich, zu der einen Partei zu gehören, den einen Präsidenten zu wählen. Zur Wahl zu gehen, bedeutete: den Präsidenten zu wählen. Wer nicht zur Wahl ging, setzte sein eigenes Leben der Gefahr aus, verhaftet zu werden.

Die Wahlen in meinem Land waren sehr streng, jeder Wähler gibt einen Fingerabdruck ab, man wird Teil des diktatorischen Systems.

Am 24 September 2017 erlebte ich zum ersten Mal die Bundestagswahlen in Deutschland. Ich war traurig, dass ich noch nicht wählen durfte. Ich würde gerne meine Stimme abgeben und einen minimalen Teil dazu beitragen, dass die Politik in eine Richtung geht, die ich für richtig halte. Den Wahlkampf und die Diskussionen um aktuelle Themen habe ich intensiv verfolgt.

Am Wahltag ging ich mit einer Kollegin in ein Wahllokal, um mir anzuschauen, wie die Abstimmung in diesem Land verläuft.

Ich war erstaunt, wie leer das Wahllokal war. Ich hatte Schlangen von Menschen erwartet, aber wir waren ganz allein. Überrascht war ich auch, dass die Wahl von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern überwacht wurde, nicht von staatlichen Beamten. Das gefiel mir gut. Ich würde das auch gerne einmal machen: mithelfen und die Menschen dabei beobachten, wie sie ihre Stimme für dieses Land abgeben. Aber diese Aufgabe darf nur übernehmen, wer zur jeweiligen Wahl auch berechtigt ist.

Ich hoffe, dass ich bald wählen und für die Zukunft Deutschlands mitentscheiden darf.

 

 

 

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