Das liebe Geld

Das liebe Geld

Über Geld spricht man nicht – oder doch?
Von Khaled Al Rifai

Geld leihen, Vertrauen schenken

Das Verleihen von Geld ist ein sensibles Thema in der arabischen Welt. Bei vielen läuft es ganz reibungslos und gehört fest in den Alltag, bei anderen ist es mit vielen Konflikten verbunden. Ich kann an dieser Stelle von einer Erfahrung meines Vaters berichten.

Mein Vater hatte einmal Geld verliehen – mit dem Versprechen, dass das Geld nach einer bestimmten Zeit zurückbezahlt würde. Als bereits die doppelte Zeit vergangen war, sagte mein Vater zu dem Mann, dem er das Geld geliehen hatte: Wann wirst Du mir das Geld zurückgeben? – Der Mann empfand diese Nachfrage aber als Unverschämtheit und schimpfte laut mit meinem Vater.

Ein anderes Mal lief ich von der Schule nach Hause und ein Bekannter fragte mich, ob ich ihm etwas Geld leihen würde. Ich hatte selbst nur sehr wenig Geld, aber ich lieh ihm trotzdem etwas. Ich hätte mich das, glaube ich, nie getraut, jemanden nach Geld zu fragen. Deshalb war ich von der Frage einigermaßen beeindruckt.

Eine Woche später bat er mich noch einmal um Geld: er sei beim Schwarzfahren erwischt worden und müsse eine Strafe bezahlen. Wieder gab ich ihm Geld. Dieses Geld habe ich allerdings nie zurückbekommen. Daraufhin habe ich beschlossen, nie wieder Geld zu verleihen.

Da ich diese Entscheidung jedoch aus Wut getroffen hatte, habe ich sie später wieder verworfen. Heute verleihe ich gerne Geld – aber nur an Menschen, die ich gut kenne.

Weil viele Menschen solche Erfahrungen machen, erzählt man sich in meiner Heimat die folgende Geschichte: Eine Person bat einmal jemanden um Geld. Dieser Jemand sagte daraufhin: Küss zuerst meine Hand. Die Person, die das Geld leihen wollte, fragte: Warum machst du das, warum willst du mich auf diese Weise demütigen? Der andere antwortete: Weil ich deine Füße mit Sicherheit 1000 Mal küssen werde, bevor ich mein Geld zurückbekomme.

Die Liebe und das Geld

Wenn ich ans Heiraten denke, denke ich an Geld – und sofort bekomme ich ein schlechtes Gefühl. Zum Heiraten habe ich nicht genug Geld. Abgesehen davon, dass ich noch nicht die richtige Frau gefunden habe.

In meiner Heimat läuft das mit dem Heiraten anders als in Deutschland, gebunden an verschiedene traditionelle, religiöse und gesellschaftliche Regeln. In vielen Familien kommt es beispielsweise gar nicht dazu, dass Braut und Bräutigam sich vor der Hochzeit kennenlernen. Die Eltern des zukünftigen Bräutigams halten bei den Eltern der zukünftigen Braut um deren Hand an. Bis die Familie der Braut über diese Frage entschieden hat, ist abzuwarten.

Nach der Verlobung hat das Brautpaar etwas Zeit sich kennenzulernen. Im nächsten Schritt geht es um das Brautgeld. Über zwei Beträge muss Einigkeit erzielt werden: Eine Zahlung im Voraus und eine in Voraussicht. Das Vorausgeld wird vor der Hochzeit von der einen Familie an die andere gegeben. Einige Familien verzichten auf diese Zahlung, aber diese Familien sind die Ausnahme.

Die in Voraussicht vereinbarte Zahlung erfolgt, falls der Mann sich scheiden lässt. (Sollte die Frau sich scheiden lassen, gibt es keinen Geldfluss.) Viele Deutsche sehen diese Tradition sehr kritisch, vor allem die Geldzahlungen seien frauenfeindlich. Das ist doch, als würde die Braut an die Familie des Mannes verkauft! Aus orientalischer Sicht dient das Geld der Absicherung der Frau, gesellschaftlich und finanziell.

Ein Freund von mir hat es so erlebt: Durch seine Familie wurde er auf eine Frau aufmerksam gemacht und er beschloss, die Familie dieser Frau zu besuchen. Er wollte die Familie, aber natürlich vor allem die junge Frau kennenlernen, die er heiraten würde. Alles lief sehr gut und beide Familien waren sehr glücklich. Dann ging es darum, das Brautgeld festzulegen.

Die Familie der Braut verlangte 5000 Euro als Vorauszahlung (der gleiche Betrag gilt für die Zahlung im Falle einer Scheidung durch den Mann). Der Freund, von dem ich hier berichte, war jedoch Auszubildender und konnte das Geld nicht aufbringen. Er beschloss, sich das Geld von Freunden zu leihen, und die Sache schien beschlossen, die Vorbereitungen schritten voran. Unter anderem sollten Möbel und viele andere Dinge für eine gemeinsame Wohnung gekauft werden; hierfür verlangte die Familie der Frau zusätzlich 10.000 Euro. Diese Summe erschien dem jungen Mann zu hoch.

Er sprach mit der jungen Frau und erklärte ihr, dass er sich das nicht leisten könne. Die Frau sagte: Wenn Du mich liebst, dann kannst Du dieses Geld durch Sparen aufbringen. Das erschien ihm absurd. Wie sollte er mit seinem Ausbildungsgehalt in absehbarer Zeit durch Sparen 15.000 Euro aufbringen? Das war das Ende der Geschichte. Die Heirat ist am Geld gescheitert. In der arabischen Welt gibt es einen Spruch dazu: Wer seine Tochter nicht verheiraten möchte, erhöhe einfach immer weiter das Brautgeld.

Ich selbst kann mir nicht vorstellen, auf diese traditionelle Weise zu heiraten, ich habe mich davon befreit. Bestimmt hat das auch damit zu tun, dass ich mittlerweile in Deutschland lebe und mit anderen Augen auf die Gesellschaft schaue. Ich freue mich darauf, eines Tages meine zukünftige Frau kennenzulernen, ohne Einwirkung von Dritten. Natürlich ist es sehr schwierig, die richtige Frau zu finden. Wer diese Entdeckung allerdings selbst macht, kann ganz bestimmt eine gute Ehe führen.

Khaled Al Rifai, Foto: Wolfgang Wedel

Dieser Text erschien 2019 in der 15. Ausgabe der nid-Zeitung.

Kontakt Khaled Al Rifai: neuindeutschland.k@gmail.com

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