Einzelne Worte lassen sich nicht immer 1:1 in eine andere Sprache übersetzen. Schon gar nicht so bedeutungsvolle Worte wie Ja und Nein.
Von Rashed Alalej
Ich staune darüber, mit welcher Einfachheit die Deutschen Nein sagen. Sie versuchen nicht, ihr Nein in ein Kompliment zu verpacken. Sie sagen einfach Nein. Nein, wenn sie etwas nicht mögen, und nein, wenn sie etwas Bestimmtes nicht machen möchten.
„Möchtest Du mit uns kommen?“ – „Nein.“
Ohne Erklärung, ohne Umschweife.
Wenn die Deutschen kein Geld verleihen möchten, sagen sie: „Ich habe selbst nur so viel, wie ich brauche. Ich habe kein Geld, das ich verleihen könnte.“
Die Menschen aus meiner Heimat hingegen schaffen es kaum, Nein zu sagen. Sie geben sich große Mühe und quälen sich, aber sie sagen fast nie Nein, auch wenn sie etwas gar nicht wollen. Als Kind habe ich in Syrien gelernt: Wenn jemand etwas von mir haben möchte, dann soll ich es ihm geben. Wenn jemand Geld von uns leihen möchte, dann stehen wir selbst in der Schuld dieser Person und geben ihr das gewünschte Geld. Auch wenn es uns fast umbringt. Hauptsache, wir sagen Ja. Nicht Nein.
Am schlimmsten ist es, wenn jemand sagt: „Wenn Du mir nicht hilfst, gehe ich zu den Wölfen und bitte diese um Hilfe.“ Aber wer zu den Wölfen geht, ist verloren! Das wissen wir alle! Darum ist es nach diesen Worten noch dringlicher, das Geld zu geben. Wir dürfen niemanden ins Verderben stürzen.
Ähnlich schwierig ist es für mich mit Einladungen. Viele Menschen aus Syrien beantworten eine Einladung mit den Worten „inschallah“ („wenn Gott will“), wenn sie nicht sicher sagen können, ob sie zu einem Termin kommen. Oder wenn sie nicht direkt Nein sagen wollen. Eine Einladung abzulehnen, wäre sehr unhöfl ich. Ich rufe Dich nochmal an! (Aber dann rufen wir nicht an). Inschallah („wenn Gott will“) ermöglicht uns einen guten Weg. Wenn wir am Ende die Einladung nicht befolgen, heißt dies, es ist nicht Gottes Wille gewesen, dass wir diesen Besuch machen. Uns selbst trifft also keine Schuld.
Inshallah kann aber auch wirklich eine Hoffnung ausdrücken. Wenn wir unbedingt ein Ziel erreichen wollen, sagen wir: Das werde ich schaffen, inshallah! Seit ich in Deutschland bin, bemühe ich mich nach Kräften, einen Mittelweg zu fi nden: Ich möchte kein Nein-Sager und kein Ja-Sager sein. Ich versuche, den anderen zu geben, was ich geben kann, ohne mir das Leben allzu schwer zu machen.
Dieser Text erschien 2020 in der 19. Ausgabe der Zeitung „nid – Neu in Deutschland“.
1 Kommentar
Kommentieren →Ich habe eine ganz andere Einstellung zu eurer Gewohnheit, alles mögliche als Gottes Wille auszugeben. Wer Gott für seine Entscheidungen die Verantwortung zuschreibt, der entzieht sich der eigenen Verantwortung. Ein klares ‚ja‘ oder ’nein‘ finde ich ehrlicher. Ich bin oft enttäuscht und fühle mich nicht ernst genommen, wenn ich inschallah höre.