Ein Brief, der nie ankommt

An meine Mutter

Ein Brief, der nie ankommt

Von Marwan Alfneesh
Übersetzung: Khaled Al Rifai

Ich vermisse Dich in jedem Augenblick, meine Liebe zu Dir tötet mich fast. Ich spreche so gerne zu Dir, obwohl es mir Deine Abwesenheit noch schmerzhafter und deutlicher macht.

Was für ein Schicksal, das mir Dich und die Chance, Dich jemals wiederzusehen, genommen hat. Ich spreche immer zu Dir, aber nun spreche ich zu Dir tausende Kilometer von Deinem Grab entfernt. In Gedanken in Damaskus, wo Du ruhig schläfst, spreche ich mit Dir. Mein Herz verlangt danach, Deine Erde wiederzusehen und zu küssen. Ja, Mutter, mein Herz stirbt und ich vermisse Dich so sehr. Wie wunderbar der Morgen war, als ich beim Öffnen meiner Augen Dein schönes Gesicht sah. Dein liebevolles, empfindsames Wesen, das krank wird, wenn ich krank bin, das lacht, wenn ich lache, das weint, wenn ich weine.

Was kann ich sagen. Ich kann nichts sagen in solchen Momenten, in denen Du, obwohl Du nicht bei mir bist, doch bei mir bist und mehr über mich weißt, als ich selbst. Mein Stift und mein Herz werden nie müde, von Dir zu sprechen, ob Du in gemessenen Schritten nun nah oder fern bist. Ich bete immer für Dich und alle Mütter auf der Welt, dass sie lange leben.

Mit deinem Namen beginne und ende ich. Mutter.

Dein Marwan

Marwan Alfneesh 2016 in Bochum. In Damaskus hatte er vor seiner Flucht nach Deutschland ein Jura-Studium begonnen.

Dieser Text erschien 2016 in der 3. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“. Anlässlich des Muttertags in Deutschland im Mai 2019 veröffentlichen wir diesen Text an dieser Stelle noch einmal.

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