Von Sipan Ahmed
Rascho, mein Freund, ich möchte mich bei Dir entschuldigen, dafür wie ich Dich behandelt habe. Ich nannte Dich „schwarzer Mann“, weil Du eine dunkle Hautfarbe hast. Mir kam nicht der Gedanke, dass Dich das stören, erniedrigen, ärgern könnte. Es tut mir wirklich leid und ich kann nichts anderes tun, als Dich um Verzeihung zu bitten. Von nun an möchte ich mich immer neben diejenigen stellen, die diskriminiert oder gemobbt werden.
In Deutschland wurde ich zu einem „Flüchtling“ und fing an, Dinge anders zu sehen. Einmal saß ich im Bus auf einem Sitz, über dem ein Schild stand, dass dieser Platz freigegeben werden soll für Menschen, die nicht gut laufen können. Ein Mann kam auf mich zu und sprach mich auf Arabisch an: „Ihr Neuankömmlinge ruiniert das Ansehen von uns allen hier! Ihr gebt ein schlechtes Bild von den Ländern ab, aus denen wir gekommen sind! In Deutschland muss man sich an die Regeln halten!“
Ich fühlte mich beschämt, aber auch wütend, und sagte: „Ihr seid doch schon länger hier, Ihr solltet uns helfen, damit wir nichts tun, was gegen deutsche Regeln verstößt!“ Natürlich war es mir peinlich, dass ich die Bedeutung des Schildes über meinem Sitz nicht erkannt hatte. Mit meinen Worten wollte ich den Mann daran erinnern, dass er auch einmal neu in dieses Land gekommen ist. Etwas Ähnliches erlebte ich bei einem arabischen Friseur. Während ich wartete, bis ich dran war, hörte ich den Friseur schimpfen: „Die neuen Flüchtlinge halten sich einfach nicht an die Regeln! Sie arbeiten für einen Hungerlohn und machen den Markt kaputt. Und die Kindergärten sind voll, wir kriegen alle keinen Platz mehr.“
Ich fühlte mich sehr unwohl. Neben mir saßen noch andere „neue“ Flüchtlinge. Wir wussten aber alle nichts darauf zu sagen. Es fällt mir schwer, über Rassismus zu sprechen, weil ich mich selbst rassistisch anderen gegenüber verhalten habe. In Syrien haben wir Menschen als Flüchtlinge bezeichnet, obwohl sie teilweise seit über 40 Jahren bei uns lebten. Sie hatten in Syrien Zufl ucht gefunden, aber sie blieben Flüchtlinge.
Rassismus ist wahrscheinlich in unseren Kulturen angelegt, wir teilen die Menschen in bestimmte Gruppen ein. Aber ich möchte mich gerne anders verhalten. Weil ich erfahren habe, wie schwer das Gefühl ist, irgendwo fremd zu sein. Wie schwer es ist, in einem neuen Land ein neues Leben zu fi nden und nicht ständig als „anders“ wahrgenommen zu werden.
Dieser Text erschien 2021 in der 19. Ausgabe der Zeitung „nid – Neu in Deutschland“.