Wie eine Prinzessin an einer Schule ohne Rassismus

Von Abir Alsaleh

Als Kind kannte ich das Wort Rassismus nicht. Ich wusste nicht, dass Menschen aus Gründen, für die sie nichts können, heruntergemacht werden. Warum auch, was gehen mich die Leute an? Jeder Mensch soll für sich selbst Entscheidungen treffen und sein eigenes Leben führen. Alle haben das Recht, gleich behandelt zu werden.

Als Kopftuchträgerin fühle ich mich wie eine Prinzessin und werde nie zulassen, dass mich jemand beleidigt. Oder seinen Hass an mir auslässt. Aber wartet mal kurz, werden einige sagen. Wenn ich frei bin, meine Meinung zu äußern, kann ich doch auch sagen, wie ich Dich finde! Eine Sache sollte jedem klar sein: Jeder Mensch hat das Recht, eigene persönliche Entscheidungen zu treffen. Ich kann entscheiden, woran ich glaube, wie ich mich kleide, und wie ich zu meinem Land stehe. Denn es ist mein Leben.

Für Euch gilt das Gleiche, Ihr dürft diese Entscheidungen ebenfalls treffen, und stolz darauf sein. Aber wir lachen uns gegenseitig aus. Manchmal schon, weil jemand eine dunkle Haut hat. Oder: Nein, wirklich, Du bist Kurdin? Was ist das? Wo liegt Kurdistan, gibt es das überhaupt? Ich würde das so gerne alles ausschalten! Wir gewöhnen uns an diesen Rassismus, er wird normal, was aber eigentlich gar nicht passieren darf! In Deutschland besuche ich ein Gymnasium, das den Titel „Schule ohne Rassismus“ trägt. Anfangs dachte ich: Ach, nur eine Lüge! Ich glaube nicht, dass das im realen Leben funktioniert, bei so einer riesigen Zahl an Schülerinnen und Schülern.

Vor ein paar Wochen erlebte eine Freundin von mir, die aus Afghanistan kommt, an unserer Schule eine unschöne Situation. Es ging um ihre Herkunft. Ich bekam das mit und war überrascht: Mehrere Schülerinnen und Schüler stellten sich hinter meine Freundin und ließen nicht zu, dass sie schlecht behandelt wurde. In diesem Moment war ich sehr stolz, unter solchen Menschen leben zu dürfen, zu dieser Schule gehen zu dürfen. Es gibt nichts Besseres als das sichere Gefühl, unterstützt zu werden und andere an seiner Seite zu haben. Im Internet habe ich neulich gelesen: „Ich bin schwarz und Araber, Rassismus habe ich schon in meiner eigenen Familie erlebt.“ – Was? Wie bitte? In der eigenen Familie? Wenn nicht einmal die eigene Familie tolerant ist, was können wir dann von anderen erwarten? Da ich extrem neugierig bin, habe ich weiter recherchiert und herausgefunden, dass die Familie dieser Person außerdem muslimisch war. Das heißt, meine lieben Mitmenschen, die neu in Deutschland sind: Klagt nicht immer nur darüber, dass die Deutschen uns nicht mögen, dass in Deutschland Rassismus herrscht. Nein, Rassismus herrscht weltweit, selbst in den Familien.

Als gläubige Muslimin füge ich hinzu: Allah misst dem Menschen einen besonderen Wert bei. Dabei bezieht er sich nicht nur auf bestimmte Menschen oder bestimmte Gruppen, sondern auf die gesamte Menschheit.

Artikel 1 des Grundgesetzes besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das bedeutet, dass alle Menschen wertvoll sind. Wir lesen in heiligen Büchern, in Grundgesetzen, an Schultoren, dass wir von einer Welt ohne Rassismus profitieren können. Die Frage ist, ob wir in der Lage sind, uns entsprechend zu verhalten.

Zum Schluss habe ich noch eine Bitte an Euch: Bevor Ihr irgendetwas sagt oder tut, versetzt Euch in die Position des anderen und überlegt Euch, ob das, was Ihr sagt oder tut, verletzend wirken könnte und welche Wirkungen zu erwarten sind. Ich will eine Welt ohne Rassismus. Nicht nur eine Schule.

Dieser Text erschien 2021 in der 19. Ausgabe der Zeitung „nid – Neu in Deutschland“.

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