Ich sehe das kritisch

Im Hinblick auf den Ramadan hat das nid-Team einen bunten Blumenstrauß an unterschiedlichen Überzeugungen und Verhaltensweisen. Wir erzählen davon. – TEIL 2 –

Von Khaled Al Rifai

Als Kind wollte ich immer fasten, um von den Erwachsenen Anerkennung zu bekommen und um in der Nacht mit meiner Familie zusammen das leckere Essen genießen zu können. Ich lernte, dass der Ramadan zu den fünf Säulen des Islams gehört und damit verpflichtend für alle gläubigen Muslim*innen ist, die in der Lage sind zu fasten. Das Fasten von Sonnenaufgang bis zur Dämmerung soll das Mitgefühl mit jenen stärken, die Hunger leiden. Das ist ein schöner Gedanke. In meinen Augen geht dieser Gedanke jedoch leider etwas verloren, wenn die Mahlzeiten in der Nacht zu üppigen und teuren Festlichkeiten werden. Sex und Masturbation sind während des Ramadans ebenfalls verboten.

In meiner Heimat bin ich mit dem Fasten aufgewachsen. Seit ein paar Jahren sehe ich das jedoch kritisch und betrachte mich auch nicht mehr als Muslim. In meinen Augen ist der Ramadan ein Monat voller Einschränkungen. Ohne Essen und Trinken habe ich keine Kraft, um meine Arbeit zu erledigen, ich kann nicht zum Training gehen und in der Schule bin ich unaufmerksam. Für den Körper ist es hart, vor allem wenn er mit Wasser unterversorgt ist. Ich denke, dass ich den Sinn, der im Ramadan liegt, auch auf andere Weise erfüllen kann. Helfen kann ich anderen auch, wenn ich nicht faste, ich kann Speisen oder Geld spenden, oder Zeit.

Der Ramadan ist auch zu einem gesellschaftlichen Ereignis geworden, man zeigt die eigene Zugehörigkeit, ein Bekenntnis zur eigenen Religion, die für viele eine Heimat ist. Ich finde, die Religion sollte eine private Sache sein.

Den Ramadan erlebe ich vor allem dadurch, dass ich als arabischer Mann ständig darauf angesprochen werde, meine deutschen Kollegen wünschen mir alles Gute zum Ramadan. Ich für mich wünsche mir in meinem Leben weniger Religion – und dass die Gläubigen ihre Religion in ihren Herzen tragen, nicht nach außen. Es gibt viele gute, hilfsbereite Menschen, die viel für die Gesellschaft tun. Seit meiner Ankunft in Deutschland habe ich sehr, sehr viele solcher Menschen kennengelernt. Einige von ihnen sind religiös, andere nicht.

(Foto: Wolfgang Wedel)

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