Mehr Solidarität
Von Mahmoud Aldalati
Kann ich allein gegen Rassismus kämpfen? Kann ich gegen einen Diktator kämpfen? Bestimmt. Aber ein Mensch allein wird es nicht schaffen, mehr Demokratie und Mitgefühl in eine Gesellschaft zu tragen. Dazu braucht es immer die Unterstützung von vielen.
Das Wichtigste ist in meinen Augen die Solidarität untereinander. Eine solidarische Gesellschaft ist eine starke Gesellschaft. Ein Mensch allein kann gegen Diskriminierungen wenig ausrichten. Aber eine Gesellschaft kann daran arbeiten, Diskriminierungen abzubauen.
Wenn wir uns als WIR verstehen und weniger das ICH in den Vordergrund rücken, können wir uns auf Augenhöhe begegnen. Wir haben gemeinsame Herausforderungen, die wir gemeinsam bewältigen müssen – wenn unser gemeinsames Ziel darin liegt, eine Gesellschaft zu gestalten, in der wir friedlich leben wollen. Ich denke, wir sollten weniger darauf achten, welche Hautfarbe oder welche anderen Körpereigenschaften jemand hat.
Wenn Sie gesund sind, stellen Sie sich vor, sie seien krank und müssten unter Schmerzen auf einen Krankenwagen warten – obwohl die Straße vor ihrem Haus vollgeparkt ist mit den Autos aus Ihrer Nachbarschaft. Wäre es nicht großartig, eine Nachbarin käme auf die Idee, Sie ins Krankenhaus zu fahren? Oder stellen Sie sich vor, Sie wohnen allein und niemand kommt Sie besuchen. Wäre es nicht großartig, ein Nachbar käme ab und zu auf einen Kaffee bei Ihnen vorbei?
In Deutschland ist die Versorgung für alle Menschen organisiert. Aber die Krankenversicherung trinkt keinen Kaffee mit Ihnen und erzählt Ihnen keine Geschichten aus Ihrer Nachbarschaft. Die Medikamente, die wir vom Arzt bekommen, sind wichtig. Aber es kann auch heilend wirken, wenn jemand da ist, der mit uns lacht oder etwas erzählt, uns Aufmerksamkeit schenkt.
Wir diskutieren viel über den Frieden, über Regeln und Gesetze. Vielleicht müssen wir uns aber vor allem Gedanken über das Miteinander machen. Vielleicht müssen wir vielmehr das Gefühl füreinander stärken, uns umeinander kümmern. Wenn wir gesund sind, denken wir nicht gerne daran, dass andere krank sind. Ich glaube, nur in einer Verbundenheit können wir auf dieser Erde so zufrieden wie möglich leben.
Dieser Text erschien 2018 in der 11. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“ mit dem Schwerpunktthema ICH + WIR.
Kontakt Mahmoud Aldalati: aldalaty93@gmail.com