Corona, Krieg und eine Sprachprüfung

Von Hiba Hasan

Die syrische Architektin Hiba Hasan, Mutter eines kleinen Sohnes, trägt eine große Hoffnung in sich. Weil etwas anderes in ihren Augen gar nicht möglich ist. In ihrem Text vergleicht sie die Corona-Krise mit dem Krieg, den sie in ihrer Heimat erlebt hat.

Die Welt hat Corona – und ich bereite mich auf meine Sprachprüfung im nächsten Monat vor. Vor Corona gab es nichts Wichtigeres für mich, als diese Prüfung zu bestehen. Und ich halte einfach weiter daran fest.

Als Mutter eines acht Monate alten Kindes habe ich nicht viel Zeit, aber das Leben muss weitergehen. Ich muss die Prüfung bestehen und anfangen, Arbeit zu suchen. Diese Gedanken sind ganz stark in meinem Kopf, vor und während der Corona-Krise.

Möglicherweise wird die Prüfung verschoben. Das hat mir eine deutsche Frau gesagt, die mir beim Lernen geholfen hat. Vielleicht hat sie Recht. Aber ich lerne weiter. Wissen Sie, warum?

Ich bin eine Frau des Syrienkrieges, in Syrien habe ich als geflüchtete Palästinenserin gelebt, ich bin über Land und über Wasser nach Deutschland gekommen. Ich kenne gar kein anderes Leben als das einer geflüchteten Frau.  

Der große Unterschied zwischen Corona und dem Krieg, vor dem ich geflohen bin, besteht darin, dass es gegen Corona Schutzmaßnahmen gibt. Gegen die Bomben und die Gewalt im Syrienkrieg hatten wir keine Schutzmasken.

Als die Granaten auf meine Stadt Damaskus fielen, war ich im fünften Jahr meines Studiums. Das war 2013. Die Fakultät für Ingenieurwissenschaften an der historischen Universität von Damaskus, wo ich studierte, wurde getroffen. 17 Studierende, junge Männer und junge Frauen, wurden getötet. Ich weiß gar nicht, wie ich es trotzdem schaffen konnte, meinen Abschluss an dieser Universität zu machen.

Vielleicht trage ich deshalb diese große Hoffnung in mir, auch die Schwierigkeiten der Corona-Krise überwinden zu können. Die 20er-Jahre meines Lebens waren vom Krieg überschattet. Die 30er-Jahre meines Lebens fangen an, von Corona überschattet zu werden. Aber ich suche immer das Licht.

Dieser Text erschien 2020 in der 18. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“. Die Zeitung online lesen: http://weborama.de/neu_in_deutschland/18/

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