Wenn ich mit meiner Familie in Damaskus spreche

Von Nema Albahri

In Anbetracht der Corona-Krise denke ich an mein Heimatland und verliere jeden Tag mehr die Hoffnung darauf, dass es von Krieg und Krankheit erlöst werden kann. Wenn ich mit meiner Familie in Damaskus spreche und frage, wie es ihnen ergeht, dann erzählen sie mir, dass ihr Leben noch schwerer geworden ist, als es ohnehin schon war. Sie erzählen, wie die Händler auf den Märkten die Preise immer weiter in die Höhe treiben, wie die Menschen ihr allerletztes Geld hergeben müssen, um ihre Familien zu ernähren. Alle versuchen, weiter zu arbeiten, um irgendwie Geld zu verdienen. Sie können gar nicht zu Hause in Quarantäne bleiben, wovon sollten sie leben? In meinem Land gibt es keine sozialen Absicherungen, kein Jobcenter, keine Soforthilfen, keine Spenden-Aktionen.   

Seit neun Jahren blutet mein Land, durch Krieg und Armut schwer verwundet. Es reicht. Mein Land liegt am Boden. Nun erobert Corona die Welt und es wird mein Land vollständig beseitigen.

Gleichzeitig bin ich sehr dankbar, dass ich in Deutschland sein darf, obwohl die Umstände so schwierig geworden sind; und ein Teil meiner Familie ist ebenfalls hier. Dieses Land ist standhaft geblieben und bietet seinen Menschen Trost. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es mir erginge, wenn ich mit meinem kleinen Sohn jetzt in Syrien wäre… Ich kann nur hoffen, dass die Corona-Krise auf der ganzen Welt endet – und ich hoffe, dass die Krise für alle Menschen in Syrien endet.

Und am Ende dieses Textes möchte ich noch einmal sagen, wie unendlich dankbar ich Deutschland bin.

Dieser Text erschien 2020 in der 18. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“. Die Zeitung online lesen: http://weborama.de/neu_in_deutschland/18/

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