Reisen Sie mit – in die Wüste?
Ruhe – und ein Himmel voller Sterne: Wer einen Ausflug in die Wüste wagen möchte, sollte den folgenden Text lesen.
Von Amel Fellah
Ich begegnete ihm in der weiten, stillen Sahara. Langsam kam er auf mich zu, stolz, auf einem Kamel sitzend, in einen indigoblauen Umhang gehüllt. Sein Gesicht war mit dem Tugulmust verdeckt, dem traditionellen Schleier. Der Targi aus dem Stamm der Tuareg, kam als er selbst. Kein anderer Mensch, schon gar keine Massen, keine Abgase, kein Lärm um ihn herum. Durch den Schlitz seines Schleiers sah ich seine dunkelbraunen Augen. Die Sonne brannte und warf unsere Schatten auf den Sand. Auf unseren Kamelen zogen wir ruhig durch die Sanddünen, meine Gedanken fanden ihre eigenen Wege in der Unendlichkeit der Wüste. Es herrschte eine so tiefe Stille, wie ich sie – außer im Schlaf – noch nie erlebt hatte. Irgendwann erreichten wir ein Zelt, in das wir einkehrten, um Rast zu machen.
Das Zelt empfing uns ohne Stufen oder Türen, es lässt den Geist frei sein, auf allen Wegen. Der sandige Boden im Zelt war mit Teppichen in vielen Farben bedeckt. Auf einem dieser Teppiche nahm ich Platz, während der Targi über dem Feuer ein kleines Gefäß mit Wasser erhitzte und grünen Tee für uns zubereitete. Aus dem Gefäß goss er den Tee in einem hohen Bogen in ein Glas, von dort zurück in das Gefäß und wieder ins Glas. Diese Bewegung wiederholte er einige Male – und es entstand eine schaumige Flüssigkeit. Drei Gläser habe ich von diesem in traditioneller Weise zubereiteten Tee getrunken: Das erste schmeckte bitter wie das Leben, das zweite süß wie die Liebe und das dritt sanft wie der Tod.
Dann wurde das Essen bereitet, es gab Taguella, ein köstliches Brot, das in heißer Asche gebacken wird. Ich konnte zuschauen, wie der Targi aus Mehl, Wasser und einer Prise Satz einen Teig machte und zu einer dicken, runden Kugel formte. Er legte sie in eine Sandkuhle und bedeckte sie mit heißer Asche und Sand. Nach einer Weile entfernte er die Asche und reinigte das gebackene Brot mit Wasser von der Asche und dem Sand. Dann teilte er es in kleine Stücke – und mit Kamelmilch und Ziegenkäse wurde für uns eine köstliche Mahlzeit daraus. Es war der Tag, an dem bei den Tuareg das Sbiba-Fest gefeiert wird, ein traditionelles Nomadenfest, bei dem viel getanzt und gesungen wird. Die Frauen tragen prächtigen Silberschmuck und sitzen dicht beisammen.
Ihre Lieder erzählen von der Liebe oder vom Krieg, einige klatschen in die Hände und es wird getrommelt. Die männlichen Tuareg tragen schwarze, kunstvoll gebundene Schleier vor ihren Gesichtern. Sie schwingen lange Säbel und tanzen um die Frauen herum. Von dieser Fröhlichkeit umringt, sah ich am Abend die Sonne in atemberaubenden Farben untergehen und in der Dunkelheit der Nacht setzten wir uns auf dem Wüstenboden um ein Lagerfeuer herum, schauten in den Sternenhimmel, tranken Tee und aßen süße Datteln. Unter einem freien Himmel voller Sterne schlafe ich schließlich ein. Bin ich je so glücklich gewesen? Eine Sternschnuppe zieht über mich hinweg, und noch eine und noch eine. Meine Augen schließen sich und ich wünsche mir… für ewig dort zu bleiben. Doch es kommt eine Traurigkeit zu mir, denn nichts in unserem Leben ist von ewiger Dauer, alles beginnt und vergeht – und auch mein Erzählen endet hier. Um zu verstehen, was die Wüste uns gibt, brauchen wir eine lange, lange Zeit. Wir müssen zurückkommen. Ich möchte zurückkommen. Sie auch?
Amel Fellah (23) ist in Algerien geboren und aufgewachsen. Die deutsche Sprache hat sie sich zu Schulzeiten selbst beigebracht und seitdem davon geträumt, Deutschland kennen zu lernen. 2018 kam sie über ein Au-Pair-Programm nach Bochum.
Dieser Text erschien 2019 in der 14. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“, nid-Sonderausgabe FRAUEN.
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Alles gute und Liebe aus Berlin