Meine Blume

Meine Blume

Von Hiba Nasab

Am Ende ihres kurzen Lebens
bevor das Alter ihre Schwäche aufdeckt
legt meine lila Blume ihren bunten Schmuck ab
wie eine Braut, die ihren Hochzeitstag beendet.

Ihre letzten Tage versprühen den Duft der Abwesenheit
wie eine gähnende Sonne, die bald schlafen geht.

Wach auf, meine Süße! Es ist noch nicht Deine Zeit zu vergehen!
Warum hat die Vergänglichkeit Deinen feinen Körper zerstört?
Warum hat das Schicksal Deinen Glanz verraten?
Den Glanz, der sich gegen die Zeit stemmt.

Erinnerst Du Dich an die Tage, an denen Du mir vom Leben erzähltest?
In dieser Zeit war ich hoffnungslos, verzweifelt, skeptisch
und konnte nur das schlechte Gesicht des Lebens sehen.
Auch der Morgen war in meinen Augen nicht rosig
selbst wenn ich Dich anschaute.

Viele schöne Dinge, die ich mit meinen Augen sah, konnten mich nicht erheitern.
Die Tage hatten ihr Blühen verloren… Warum?

Hiba Nasab, Foto: Sami Omar

Heute sehe ich mit Staunen, wie ruhig und zufrieden du bist
und in Ruhe gehst, ohne Weh und Ach
ohne Dich sinnlos gegen die Vergänglichkeit zu stemmen.

Wie fröhlich Du gewesen bist
in Deinem Leben
die Rollen, die Du spieltest
ohne zu übertreiben, ohne zu untertreiben.

Von Dir, meine Blume, habe ich gelernt
dass der bittere Geschmack
im Moment des Verlustes
auch süß sein kann.

Wer seine Träume beweint, wird elend
übersieht die Schönheit im Leben
und verpasst die neuen Träume.

Dieser Text erschien 2018 in der 11. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“.

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